Großer bunter Kegel

Heute ist es wieder soweit: Die Schule für die Erstklässler beginnt – die Schultüte ist dabei  ■ Von Joachim Göres

Jedes Jahr dasselbe: ein Stück zusammengeklebter bunter Pappe, die sechs- und siebenjährige Jungen und Mädchen voller Stolz in ihren Armen halten und noch stolzere Eltern mit ihren Fotoapparaten und Videokameras für die Nachwelt verewigen. Während die Kinder meist der süße Inhalt interessiert, ist für die Eltern der Kegel aus Pappe Symbol für einen neuen, ungewissen Lebensabschnitt ihrer Tochter oder ihres Sohnes. Die Schule beginnt heute für die Erstklässler in Hamburg, und eine Schultüte darf dabei nicht fehlen.

Der früheste Beleg für den Brauch stammt aus dem Jahr 1817 in Jena. Bis die erste Schultüte Hamburg erreicht, vergeht allerdings noch viel Zeit. Der Volkskundler Hans-Günter Löwe ist bei seinen Nachforschungen erstmals 1910 auf die Schultüte als Geschenk zur Einschulung in der Hansestadt gestoßen. Eine Frau berichtete ihm, dass sie zur Einschulung 1917 eine Schultüte von einer Tante aus Thüringen geschickt bekam, weil es in Hamburg keine gab.

Bereits in den zwanziger Jahren hatte sich die Schultüte auch in Hamburg durchgesetzt. Allerdings verboten einige Privatschulen diesen Brauch, an anderen Schulen verzichteten die Eltern auf dieses Geschenk aus Rücksicht auf ärmere Familien, die sich die Schultüte nicht leisten konnten. Doch diese Blöße wollten sich immer weniger Eltern geben - eine bunte Tüte gehörte dazu, dafür bestand der Inhalt häufig weitgehend aus Holzwolle und Papier. In den 50er Jahren setzte sich der Brauch dann endgültig durch – kaum noch eine Einschulung ohne Tüte.

Auch die DDR kannte im übrigen die Schultüte: „Dort gab es ja nicht so viele Feiertage, deswegen machten die Eltern die Einschulung zu einem richtigen Fest“, sagt Robert Brückner, Geschäftsführer der Firma Goldbuch in Bamberg. Sein Unternehmen ist heute der größte Produzent von Schultüten und achtet dabei noch heute auf den Ost-West-Unterschied: „In den alten Bundesländern sind die Tüten 70 Zentimeter hoch und rund, in den neuen Ländern sind sie 85 Zentimeter hoch und sechseckig. Da passt einfach mehr rein.“

Der Inhalt hat sich mit der Zeit geändert. Während Kinder in den 30er Jahren oft mit Würstchen eine Freude gemacht wurde, überwiegen heute Süßigkeiten aller Art – auch wenn Krankenkassen empfehlen, möglichst gesunde Leckereien wie Kaugummi ohne Zucker, Vollwertriegel oder Obst auszuwählen. Wieviel Geld sollte für den Inhalt ausgegeben werden? Das Bundesverwaltungsgericht entschied 1993, dass ein Sozialhilfeempfänger für die Tüte samt Inhalt mindestens 25 Mark Sonderzahlung zustehen. Allerdings kosten einige Tüten heute schon ohne Inhalt über 30 Mark.