Blutbad in Burundi lässt Friedenshoffnungen schwinden

■ Neue Runde von Friedensgesprächen nach Rebellenangriff vertagt. Die Gespräche waren ohnehin festgefahren: Radikale Hutu und Tutsi lehnen politische Pläne der Regierung ab

Brüssel (taz) – Ein neuer Anlauf zum Frieden in Burundi ist jetzt erst einmal wieder auf Eis gelegt, nachdem mutmaßliche Hutu-Rebellen am Wochenende den blutigsten Angriff auf die Hauptstadt Bujumbura seit Monaten verübten. Schätzungsweise 20 tote Zivilisten und 20 tote Rebellen forderte der Angriff in der Nacht zum Sonntag. Während die größte Hutu-Rebellenbewegung CNDD-FDD (Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) jede Verantwortung zurückwies, rief der Verteidigungsminister der von Tutsi-Militärs dominierten Regierung zu Wachsamkeit gegen die „völkermörderischen Terroristen“ auf.

Eigentlich sollen nächste Woche im tansanischen Arusha die seit Jahren laufenden Friedensgespräche zwischen der Regierung unter Präsident Pierre Buyoya und Hutu-dominierten Rebellengruppen unter internationaler Vermittlung in eine neue Runde gehen. Und nachdem der Bürgerkrieg, der zwischen 1993 und Buyoyas Putsch 1996 etwa 200.000 Tote forderte, sich in den letzten Jahren beruhigt hatte, gab es ein wenig Optimismus. Burundis ostafrikanische Nachbarn haben dieses Jahr sogar die nach Buyoyas Putsch verhängten Sanktionen aufgehoben. Aber nun sind die Gespräche um eine Woche verschoben worden – möglicherweise noch länger, weil der internationale Vermittler der Gespräche, Tansanias Expräsident Julius Nyerere, aus gesundheitlichen Gründen nach Großbritannien reisen will.

Die Verschiebung der Gespräche und die neue Gewalt kommt in einem kritischen Moment. In einem offenen Brief an Präsident Buyoya klagte die Menschenrechtsliga Iteka bereits am 12. August über zunehmende Angriffe der Hutu-Rebellen. „Die bisher ruhigen Provinzen Rutana und Ruyigi“ seien zu „Bühnen mörderischer Inkursionen (der Rebellen) und gewaltsamer Auseinandersetzungen“ geworden. Auch Verteidigungsminister Alfred Nkurunziza beklagte vor kurzem eine „Zunahme der Gewalt“.

Bereits zum Abschluss der letzten Runde der Friedensgespräche im Juli hatte Burundis Minister für den Friedensprozess, Ambroise Niyonsaba, erklärt, es habe keine Fortschritte gegeben. Viele Beobachter machen dafür Vermittler Julius Nyerere verantwortlich, weil er die Vertreter der wichtigsten Hutu-Rebellengruppe außen vor lässt – der von Jean-Bosco Ndayikengurukiye geführte militärische Flügel der CNDD-FDD.

Im Juli sprach sich Ndayikengurukiye für Direktverhandlungen mit Buyoya aus – eine Art zu sagen, dass er Nyereres Vermittlung ablehnt. Burundis Kommunikationsminister Luc Rukingama denunzierte wenig später die „Inkompetenz“ Nyereres, der „Konfliktpartei“ geworden sei. Burundis Presse klagt, dass burundische Hutu-Rebellen nach wie vor ungestört in Flüchtlingslagern auf tansanischem Boden agieren können.

Während die von den Gesprächen ausgeschlossenen Rebellen ihre bewaffneten Aktionen verstärken, stoßen die an den Gesprächen beteiligten Hutu-dominierten Parteien mit ihren Forderungen auf Granit. Ihr kürzlich gegründetes Parteienbündnis G-7 verlangt die Verkleinerung der Armee von derzeit 40.000 bis 50.000 Soldaten auf 10.000, von denen 70 Prozent frühere Hutu-Rebellen sein müssten. Dies lehnt die Regierung ab.

Die G-7 lehnt wiederum Buyoyas politisches Programm ab, wonach Burundi eine zehnjährige Übergangsperiode durchmache, in der er selber fünf Jahre lang als Staatschef amtieren wolle, bevor er den Posten einem Hutu überlässt. Während der Übergangszeit solle die Armee in den Kasernen bleiben und eine kommunale Polizei aufgebaut werden.

Nicht nur die Hutu-Allianz G-7 lehnt das ab, sondern auch die Gegenallianz extremistischer Tutsi-Kleinparteien, die sich G-8 nennt. Sie lehnt die Verhandlungen insgesamt ab und hält Buyoya für einen Verräter an der Tutsi-Sache. Der Führer der neugegründeten Tutsi-Miliz Amasekanya (Die Macht der Selbstverteidigung), Diomede Rutamucero, wurde Ende Juli verhaftet und erst diese Woche wieder freigelassen.

Unter der einfachen Bevölkerung wächst ebenfalls der Unmut. Zucker und Benzin sind in der Hauptstadt Bujumbura knapp – sie werden nach Ruanda geschmuggelt, wo die Preise höher sind. Die Kaffeeernte ist dieses Jahr höher als letztes, aber die Erlöse sind niedriger, weil die Preise gefallen sind. Die Baumwollernte wird wegen schlechter Regenfälle dieses Jahr um ein Drittel sinken. Bauern in der Provinz Gitega sollen begonnen haben, sich gegenseitig die Ernte zu stehlen, und wollen immer weniger an den staatlich dekretierten Patrouillen gegen die Hutu-Rebellen teilnehmen.

Paradox ist, dass Ruander, die in das Nachbarland Burundi reisen, die Stimmung in Bujumbura meistens angenehmer finden als in ihrer eigenen Hauptstadt Kigali. Das ist merkwürdig, denn Kigali befindet sich im ökonomischem Boom, und die ausländischen Hilfsgelder fließen reichlich nach Ruanda, während in Burundi die Wiederaufnahme der Auslandshilfe vom Erfolg der Arusha-Gespräche abhängt. Aber diese Lage hat auch dazu geführt, dass in Kigali inzwischen die sozialen Unterschiede viel größer sind als in Bujumbura. François Misser