Im liberalen München leben Schwule gefährlich

■ Homosexueller Tourist wurde vor Szenelokal zusammengeschlagen. Die im Stadtrat mitregierende Rosa Liste wirft der Polizei Vertuschung schwulenfeindlicher Gewalt vor

Berlin (taz) – „Wir sind stolz auf unsere schwulen Mitbürger!“ Beim Christopher Street Day im Juli stellte sich Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) demonstrativ vor die Homo-Bewegung in seiner Stadt. Als Schirmherr grüßte er die Teilnehmer der Parade auf dem Marienplatz: „Ihr seid eine Bereicherung für München.“ Gerne lässt sich Ude als Schutzpatron der schwul-lesbischen Gemeinde feiern. Doch schützen kann er sie nicht.

Mit einer Lichterkette protestierte gestern ein „Aktionsbündnis“ gegen schwulenfeindliche Gewalttaten. Denn seit vorletzten Samstag liegt ein 38-jähriger Holländer in einem Münchener Krankenhaus. Der Tourist wurde von unbekannten Tätern zusammengeschlagen, als er den „Ochsengarten“ verließ, eines der bekanntesten Szenelokale im Münchener Glockenbachviertel. Im offiziellen Polizeibericht wurde ein möglicher schwulenfeindlicher Hintergrund nicht erwähnt, obwohl längst klar war, dass das Opfer offen schwul ist. Günter Reisbeck von der Schwulenpartei Rosa Liste sieht in dem Verhalten der Polizei ein Beispiel für die Vertuschung schwulenfeindlicher Gewalt in München: „Warum sonst hat die Polizei bis heute geleugnet, dass es sich bei dem Opfer um einen schwulen Mann handelt?“

Die Rosa Liste kritisiert auch die ihrer Meinung nach halbherzige Fahndung nach den Tätern: „Die ganze Woche hat kein Polizeibeamter in der Szene ermittelt.“ Für Reisbeck kein Zufall, denn „die Polizei versagt in der Bekämpfung antischwuler Gewalt aus ideologischer Verbohrtheit“. Was die Münchner Polizei vehement bestreitet. Pressesprecher Peter Durdak: „Bei uns wird ein Schwuler behandelt wie jeder andere Bürger.“

Doch gerade in München, der rot-grün-rosanen Oase im schwarzen Bayern, werden Schwule immer wieder Opfer von homophober Gewalt. Abseits der bunten Feste haben viele Angst vor nächtlichen Attacken. Erst kürzlich wurde die sogenannte Vinzenz-Murr-Bande bekannt, eine Neonazi-Gruppe, die systematisch Jagd auf Homosexuelle machte. Das amerikanische Schwulenmagazin The Advocate warnte seine Leser sogar ausdrücklich vor Reisen nach München.

Besondere Maßnahmen gegen antischwule Gewalt hält der Polizeipressesprecher nicht für nötig, die Forderung nach einem Beauftragten lehnt er ab: „Wir sehen keinen Sinn darin, jeder Minderheit einen Beauftragten zur Verfügung zu stellen.“

Daran wird sich wohl nicht viel ändern. Die Münchener Polizei untersteht nicht der „Regenbogenkoalition“ im Stadtrat, sondern der bayerischen Staatsregierung.

Lukas Wallraff