„Den Mainstream hatten wir ja schon“

■ Mit gewagtem Roots-Rock haben Los Lobos in den letzten Jahren den „La Bamba“-Fluch abgeschüttelt und Gefolgschaft bei den US-Latinos gewonnen

Es gibt Konzerte, die sich unauslöschlich in die Erinnerung einbrennen, weil sich in ihnen etwas ganz Besonderes offenbart. Es muss im Winter 1985 gewesen sein, als Los Lobos ihre ersten Shows in Deutschland spielten. 17 Zahlende registrierte damals die Kasse der Markthalle, dazu das übliche Gästelisten-Inventar, Plattenfirmenmenschen, ein paar Journa-listen. Die Wölfe aus East Los Angeles indes bestraften die Anwesenden nicht dafür, dass die anderen (noch) nicht gekommen waren, sondern spielten stoisch-konzentriert einen fulminanten Latino-Set, das damals nur einen Schluss zuließ: Diese Band wird nichts so schnell aus der Bahn werfen.

Gut zwei Jahre später überlebten sie dann sogar ihren ersten und bis heute einzigen US-No.1-Hit. Mit „La Bamba“ und dem Soundtrack zur gleichnamigen Filmbiografie setzten Los Lobos dem frühen Latino-Helden Ritchie Valens ein musikalisches Denkmal – und schaufelten sich selbst fast ins kreative Grab der Party-Band für Oldie-Zirkel. „Wir sorgten uns damals schon um unser Image“, sagt Louie Perez noch 12 Jahre später; es habe eine Weile gedauert, „dieses enge Bild, das sich die Leute von uns machten, abzuschütteln“. Was spätestens mit den gewagten Sound-Exkursionen von Kiko (1992) und Colossal Head (1996) gelang: Roots-Rock auf Wolke 7.

Es fällt schwer, Perez den Kopf von Los Lobos zu nennen, und das weniger, weil er der schmächtige unter den korpulenten ist. Sondern vor allem, weil diese Band gewiss mehrere Köpfe hat, ganz in der Tradition großer US-Bands wie Little Feat oder eben The Band, mit denen Los Lobos nicht zu Unrecht oft verglichen werden. Da ist David Hidalgo, die melancholische Stimme der Band, ihr Melodiengeber, vielleicht ihre Seele. Da ist Cesar Rosas, das propre Herz. Und da ist Perez, der seinen Thron als Drummer im Studio seit dem Album The Neighbourhood (1990) zunehmend für temposichere Sessionprofis räumen musste, als Texter aber unentbehrlich ist für die Band. Und als eine Art intellektueller Vordenker, der über den amerikanischen Avantgarde-Komponisten John Cage ebensoviel weiß wie über japanische Dichtkunst, erst recht. Also vielleicht doch: der Kopf unter Köpfen.

Und was sagt Louie Perez zum Phänomen Ricky Martin? Perez sieht „zwei Seiten. Klar, viele Leute sagen, das ist nur eine Mode, die vorübergeht wie jede Mode. Der Unterschied ist nur: Die 35 Millionen Latinos in den USA, die jetzt endlich ein Identifikationsobjekt haben, werden nicht wieder verschwinden. Ricky Martin wird vielleicht verschwinden, aber er hat eine Tür aufgestoßen.“ Und durch die würden auch Los Lobos gerne schlüpfen. Auch wenn sich das angesichts ihrer Vergangenheit eher etwas paradox anhört. „Es ist doch ironisch“, sagt Perez, „dass eine Band wie wir kaum eine Gefolgschaft bei den US-Latinos hat. Momentan läuft der große Crossover zum weißen Mainstream-Markt. Wir versuchen ein Crossover genau andersherum, zu den Latinos. Denn wir hatten den Mainstream-Markt ja schon.“ Wenn also Los Lobos nach 12 Jahren endlich mal wieder in Hamburg spielen, sollte man die seltene Gelegenheit nicht verstreichen lassen und dieser Band die Referenz erweisen. Jörg Feyer Mi, 8. September, 21 Uhr, Fabrik