Umstrittene Übersetzungen

Ab morgen wird im Fall Safwan Eid um den Brand in Lübeck neu verhandelt  ■ Von Elke Spanner

Der Verhandlungsstoff ist zunächst reduziert: Nur Polizisten sind zu den ersten Terminen geladen, die allein dazu Auskunft geben sollen, was man an Indizien gegen Safwan Eid zusammentragen könnte.

Gabriele Heinecke sitzt in ihrem Büro und ist die Ruhe selbst. Trotzdem. Auch Safwan Eid, so beteuert die Anwältin, mache sich keine Sorgen über den Ausgang des zweiten Strafprozesses, der morgen vor dem Kieler Landgericht beginnt. Schon als er zum ersten Mal wegen des Vorwurfes vor Gericht stand, in der Nacht des 17. Januar 1996 die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße angezündet zu haben, habe er nie ernsthaft eine Verurteilung gefürchtet. „Es gibt nichts, was für ihn als Täter spricht.“

Das Lübecker Landgericht sprach Eid denn auch frei. Selbst die Staatsanwaltschaft hatte auf Freispruch plädiert. Dennoch werden die Ereignisse der Nacht, in der zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden, nun ein weiteres Mal aufgerollt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil wieder auf. Die erste Instanz hatte die Protokolle von abgehörten Gesprächen Eids in der Untersuchungshaft nicht im Prozess verwertet. Ob das Abhören in der Besucherzelle zulässig war, sei zweifelhaft, hatte der damalige Richter Rolf Wilcken nur kurz angerissen und die Lösung des kniffeligen juristischen Problems für nicht erforderlich erklärt. Denn selbst wenn man die Protokolle im Prozess verlesen hätte, hätte es zu einer Verurteilung Eids nicht ausgereicht.

Das sah der BGH anders. Wegen der Schwere des Tatvorwurfes sei es zulässig gewesen, Gespräche des Untersuchungshäftlings in der Besucherzelle mitzuhören und aufzuzeichnen. Zudem sei es „nicht auszuschließen“, dass „der Freispruch gerade auf diesem Verfahrensfehler beruht“. Die Abhörprotokolle werden folglich die Weichen für den Ablauf des zweiten Prozesses stellen. Am besten wäre es deshalb laut Eids Verteidigerin Heinecke, mit ihnen den Prozess zu eröffnen und umgehend wieder zu beenden, „denn sie enthalten nichts Belastendes“. Statt dessen stehen sie erst am 20. September auf der Tagesordnung des Gerichts.

Mittlerweile wurden die Bänder von mehreren Dolmetschern angehört und übersetzt. Der Syrer Azez Yachoua, den 1996 das Bundeskriminalamt beauftragt hatte, will Sätze herausgehört haben, welche die Staatsanwaltschaft als belastend einstufte. Ein Bruder von Safwan Eid habe diesem bei seinem Besuch gesagt: „Wir haben sie alle zum Schweigen gebracht.“ Eid habe erwidert: „Wenn ich den Koran lese, erkenne ich meine Fehler. Ich weiß, was ich in dem Gebäude gemacht habe.“ Schon damals waren einzelne Formulierungen unter den Dolmetschern umstritten.

Mittlerweile hat das Kieler Landgericht einen Arabisch-Dozenten der Freien Universität Berlin als Sachverständigen beauftragt. In vier verschiedenen Techniken wurden die Bänder vor ihm abgespielt. Vier verschiedene Übersetzungen kamen heraus. Nur nicht die Sätze, die der frühere BKA-Dolmetscher gehört haben will. Wo der Bruder angeblich versichert habe, er habe alle ehemaligen HausbewohnerInnen zum Schweigen gebracht, steht nun in den Übersetzungen: „Alle stehen hinter Dir.“ Und dass Eid wisse, was er in dem Gebäude getan habe, findet sich in den vier neuen Mitschriften nicht mal in abgewandelter Form.

„Der Prozess ist überflüssig“, resümiert deshalb Heinecke. Der Ablauf des Verfahrens, wie die Kieler Jugendkammer ihn geplant habe, sei zudem „sehr bedenklich“. Soll zunächst nur Belastendes vorgetragen werden, werde Dreck auf ihren Mandanten geworfen, der auch nach einem Freispruch auf ihm haften bleiben könnte. Es gäbe eine andere Möglichkeit, das Verfahren erheblich zu straffen, deutet Heinecke dann an und grinst über das ganze Gesicht. Morgen erst wird sie verraten, woran sie denkt. Wenn sie im Gerichtssaal sitzt und erneut die „Sache Eid“ aufgerufen ist.