Ein Fanclub für Johann Sebastian

■ Am Freitag spielt Masaaki Suzuki Bach. Der taz erzählt er, was ihn als Japaner an dieser Musik so sehr reizt

Dass JapanerInnen Europa und seine Kultur ganz besonders lieben, dass zahllose StudentInnen hier studieren und dass Deutschland für Japan einen herausragenden Stellenwert hat, ist bekannt. Die leidenschaftliche Bessenheit aber, mit der der 1954 geborene Masaaki Suzuki in Japan das Werk von Johann Sebastian Bach interpretiert – und das auf historischen Instrumenten – ist noch einmal besonderer Beachtung wert.

Der Professor für Orgel und Cembalo an der Universität Tokio gründete 1990 das „Bach Collegium Japan“, das schnell einen außerordentlichen Namen erreichte und nun im Rahmen des Musikfestes im Bremer Dom sein Debut in Deutschland absolviert. Wir sprachen nach einer Probe mit Masaaki Suzuki über seine Arbeit und Ambitionen.

taz: Herr Suzuki, was ist, abgesehen von der allgemein bekannten japanischen Deutschlandliebe, für Sie persönlich der Hintergrund für Ihre Studien und Arbeiten?

Masaaki Suzuki: Meine Eltern waren beide sehr musikalisch. Zudem bin ich in der protestantischen Religion aufgewachsen. Das war in Japan eine kleine Minderheit. Ich habe daher schon mit zwölf Jahren im Gottesdienst Orgel gespielt und ich erinnere mich noch, dass wir damals einen „Fanclub“ für die Musik Johann Sebastian Bachs hatten. Ich habe dann in Amsterdam Orgel und Cembalo studiert.

Bachs Musik hat ja vor allem die Funktion der religiösen Verkündigung. Ihnen als Protestanten ist das vertraut, aber wie ist das bei den anderen MusikerInnen? Sie sagten ja eben, das Christentum bilde eine Minderheit. Gibt es kulturelle Verständnisprobleme?

Nein. Ich glaube, der Grund dafür ist, dass es in Japan keine offizielle Religion gibt. Es gibt zwar buddhistische Traditionen, aber alles ist säkularisiert. Wenn wir vor diesem Hintergrund die Musik von Bach spielen, spüren wir, wie groß generell das allgemeine religiöse Bedürfnis ist, das neben dem musikalischen existiert.

Die Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis haben kein Klangbild in der Musik so verändert wie das der Musik Bachs. Wie war das in Japan?

Genauso, aber sehr viel später. Es gibt bei uns immer noch Leute, die Bach auf dem Klavier spielen ...

Die gibt es hier auch!

Ja, aber bei uns ist das irgendwie heftiger.

Die Ausbildung in Alter Musik geschieht ja bei uns in Spezialschulen wie der Schola Baseliensis oder aber in Abteilungen normaler Musikhochschulen. Wie ist das in Japan?

Bei uns gibt es wie in Amerika Institute, die der Universität angegliedert sind.

Worauf führen Sie die japanische Begeisterung für deutsche Musik zurück?

Japan war bis 1968 politisch vollkommen abgeschlossen. Nach der Öffnung passierte natürlich das Gegenteil: Die Menschen waren geradezu hungrig nach kulturellen Reizen von außen. Mit dem Effekt, dass heute japanische Kultur praktisch beseitigt ist.

Ist das nicht ein bisschen traurig?

Für mich nicht. Sie interessiert mich einfach nicht. Ich verstehe mich aber sehr gut mit zeitgenössischen Komponisten, die auf den Wurzeln unserer Kultur komponieren.

Wer waren damals Ihre Vorbilder und welche haben Sie heute?

Natürlich Nikolaus Harnoncourt und Gustav Leonhardt. Ihr Werk ist einfach riesig. Ich verstehe mich außerdem sehr gut mit meinem Lehrer Ton Koopman. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass meine Art, Musik zu machen, primär auf dem Wissen um diese Musik beruht. Ich mache die Musik so, wie ich sie fühle.

Worin sehen Sie Ihr Hauptinteresse in der Zukunft: Repertoire-Erweiterung in Richtung Klassik und Romantik, wie es alle Ihre Kollegen praktiziert haben, oder weitere Bach-Pflege in Japan?

Das zweite. Ich werde in Japan ohne Ende Bach spielen und Repertoire-Erweiterung gibt es nur in eine Richtung, nämlich zurück in die Vergangenheit. Ich habe Monteverdi und Heinrich Schütz gemacht. Das nächste ist die „Matthäus-Passion“ in Japan.

Ute Schalz-Laurenze

Das Konzert mit dem Bach Collegium Japan unter Masaaki Suzuki ist zu hören: Am Freitag, 3. September, um 20 Uhr, im St. Petri Dom; und am Samstag, den 4. September, um 20 Uhr, in der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche in Bremerhaven