Das bloße Abwatschen hilft keinem weiter

betr.: „Die Parade der Kiffer bleibt ohne Feuer“, „Kiffen macht gleichgültig“, taz vom 30. 8. 99

Nun ist sie vorbei, die dritte Hanfparade, und die Streiterei um Zahlen geht wieder los. Mal abgesehen davon, dass die Veranstaltung damit ein selbst gemachtes Problem hat (wieso werden die Teilnehmer nicht von den Organisatoren gezählt, anstatt hinterher auf den Polizeizahlen herumzuhacken?), verlange ich von der taz mehr als bloß ein kritikloses Nachbeten „offizieller“ Zahlen.

Bei der ersten HP schätzte die Polizei 7.000, bei der zweiten 12.000 und nun 14.000. Tatsächlich waren etwa 30.000 (97) und 40.000 (98) da. In diesem Jahr nehmen wir mal sparsam gerechnete 50.000 an – und schon löst sich Maurice Schuhmanns gehässiges Mäkeln von einer „Pleite“ in nichts auf. Dabei hat er Recht, wenn er auf den mangelnden politischen Charakter des Events hinweist: Mit Parolen allein ist demokratische Meinungsbildung nicht zu bewerkstelligen. Ein „Speakers' Corner“, dessen Lautsprecher keine 20 Meter weit reichten, konnte eine Hauptbühne nicht ersetzen, Infos für Nichtkiffer gab es kaum – die Reichstagsbesucher haben so nicht erfahren können, dass der Bundestag nun genau dort mal über Cannabis sprechen sollte, wo vor knapp 70 Jahren die Kriminalisierung anfing.

Richard Rother („Kiffen macht gleichgültig“ – dann sollte er vielleicht die Tüte mal vier Wochen weglegen) setzt allerdings auch hier noch einen drauf: „Überflüssig“ werden solche Veranstaltungen erst, wenn die entsprechenden Gesetze geändert sind. Der Gute hat sich wohl auch nicht allzu lange dort aufgehalten (schnell in den Bauwagen, Blättchen leihen und gleichgültig werden?). Sonst hätte er bemerkt, dass einige Stände leer standen, weil sie ausverkauft waren wie etwa der von Body Shop oder diverse Hanf-Food-Stände. Dann setzt er noch einen drauf, indem er zugibt, dass er zu blöd war, ein „piece“ aufzutreiben; der völlige Lacher.

Wer so recherchiert, wird natürlich mit der Wirklichkeit bloß aus Versehen kollidieren. Da nimmt es nicht wunder, dass er das öffentliche Einstehen für den Hanf für „bescheuert“ hält und meint, durch allfälliges Reklamequarzen politisch zu arbeiten.

Die beiden taz-Helden haben sich mäßig beleckt über die Hanfparade hergemacht und damit nichts anderes gebracht als Destruktivität. Klar, in der Berliner Provinz kann jedeR kiffen, ohne dabei erwischt zu werden, und die Langeweile dabei scheint einigen derart auf die Nerven zu gehen, dass sie lieber alles andere in die Tonne treten. Für die tausende von „Zugereisten“ war die Hanfparade ein großer Spaß – die sind nämlich noch nicht so zugeknallt mit Events wie die hochnäsigen Hauptstädter.

„Das Hauptproblem der Hanfliebhaber ist, dass ihnen die Gegner abhanden gekommen sind“? Nee, das liegt eher in der Zerstrittenheit derer, die sich überhaupt mit der Sache befassen. Es gibt da allerdings ein deutliches Übergewicht an Profilneurotikern, die sich lieber an ihrer eingeschränkten Wahrnehmung orientieren als an den Fakten; die lieber nach Widersprüchen suchen als nach Gemeinsamkeiten. Das wird ihnen oft durch Desorganisation leicht gemacht – und wäre zu ändern, wenn es endlich eine konstruktive, öffentliche Auseinandersetzung gäbe. Jörg Jenetzky, Bielefeld

Ihr Kommentar zur Hanfparade 99 ist ebenfalls nicht gerade objektiv. [...] wie kommen Sie dazu, zu behaupten, dass das „Hauptproblem der Hanfliebhaber ist, dass ihnen die Gegner abhanden gekommen sind“? Wissen Sie nicht, wie viele Menschen allein in Deutschland im Gefängnis sitzen, weil sie, anstatt zu saufen, eben lieber eine harmlose, ungiftige Droge (Cannabis) konsumieren? Offensichtlich nicht!

Diese Art der Berichterstattung kann ich nur als traurig bezeichnen – und ich möchte Ihnen dringend empfehlen, sich etwas mehr Gedanken über das zu machen, was Sie Ihren Lesern so vorsetzen! Anke Schultz-Gora, Kreistagskandidatin B'90/Grüne, Konstanz

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