„Kostet nur einen Zehner und die Tube hält ein Jahr“

■ Was ist geblieben von der DDR (I): „Ost-Make-up deckt besser“, sagt Marianne Koos

Die 49-Jährige verkauft im U-Bahnhof Alexanderplatz Ostprodukte

Wir verkaufen hier zu 99 Prozent Produkte wie Cremes und Seifen, die es früher schon gab, nur mit neuer Verpackung. Das sind keine Restposten. Wir haben viele Stammkunden. Wir haben zwei Jahre nach der Wende auch noch Westprodukte gehabt, und dann haben die Frauen gemerkt, dass sie ihre Sachen besser vertragen, und haben gesagt, sie wollen nur das aus dem Osten haben oder die Creme aus der Tschechoslowakei. Die tschechische Serie verkaufen wir sehr gut, die heißt Dermacol. Die haben sie nur für Filmstudios hergestellt. Die ist nicht parfümiert und hautverträglich.

Die meisten Stammkunden sind aus dem Osten, die sind so Mittelalter. Wir haben auch ein paar Westler, die früher, zu Ostzeiten, von ihren Ostlern was geschickt gekriegt haben oder von dem einen Make-up gehört haben, das sich gut verkauft. Gewisse Sachen sind von der Konsistenz einfach besser, so wie das Make-up von Dermacol. Es gibt ein ähnliches im Westen, das kostet 50 Mark, deckt aber nicht so gut. Und unseres kostet nur einen Zehner und so eine Tube hat man über ein Jahr.

Das hat nichts mit Nostalgie zu tun, es geht um Hautverträglichkeit. Manche sagen auch, warum sollen wir immer vom Westen kaufen, wir können ja auch unsere hier unterstützen. Für die Männer verkaufen wir Parfüm, das es früher nur sehr teuer im Exquisit gab, das ist „Wild River“.

Außer Produkten sind auch noch andere Sachen von der DDR übrig geblieben. Wir sind eben anders groß geworden und erzogen. Das sind 40 Jahre, die kann man nicht einfach wegwischen. Ich mache das nicht und meine Tochter, die 23 Jahre alt ist, auch nicht. Wir verleugnen unsere Herkunft nicht. Wir sind hier groß geworden und haben ein anderes Zusammenleben gehabt. Ich frage die Leute im Laden immer direkt, ob sie aus dem Osten oder Westen sind. Denn vom Äußeren merkt man das nicht mehr. Ich vermisse viel von damals. Früher ging es mir besser, wirtschaftlich. Ich war früher schon zu Ostzeiten hier Chef. Es war schon immer ein Kosmetikladen. Das hieß „Reiseboutique“. Jetzt haben wir rangeschrieben „Wir verkaufen Ost“. Einen Namen hat der Laden nicht mehr. Früher haben die Leute alles gekauft, da konnte man gar nicht genug ranholen.

Aufgezeichnet von Barbara
Bollwahn de Paez Casanova