Die Frontstaaten wittern einen Affront

Kongos Rebellen haben als Letzte den Kongo-Friedensvertrag unterzeichnet. Nun soll Südafrika sich militärisch für die Friedenssicherung engagieren. Aber seine regionale Rolle ist umstritten    ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Kongo, Lesotho und Angola zeigen: Die Staaten des südlichen Afrika sind sich uneins darüber, wie sie sich zu Kriegen in ihrer Region verhalten sollen

Nachdem die Rebellen in der Demokratischen Republik Kongo nun doch noch ihre Unterschrift unter den Friedensvertrag von Lusaka gesetzt haben, wird im südlichen Afrika versucht, allzu großen Optimismus zu dämpfen.

Zwar herrscht große Erleichterung, dass das schon am 10. Juli von den anderen Kongo-Kriegsparteien unterzeichnete Abkommen nun endlich umgesetzt werden kann, und die UNO will noch in dieser Woche beginnen, die ersten von 90 Militärbeobachtern in die Hauptstädte Kongos, Ruandas und Ugandas zu entsenden, um den Beginn einer UN-überwachten Befriedung des Kongo einzuleiten. Und in Südafrika feiert man den diplomatischen Erfolg der neuen südafrikanischen Außenministerin Nkosazana Zuma, die die Regierungen von Uganda und Ruanda dazu brachte, ihre verfeindeten jeweiligen Verbündeten unter Kongos Rebellen zumindest für die Dauer der Unterschriftszeremonie an einen Tisch zu bringen.

Doch ansonsten schwieg die Regierung in Pretoria. Erst, wenn tatsächlich ein Waffenstillstand zustandekommt – so hieß es im Außenministerium –, will sie über die Zusammensetzung des südafrikanischen Kontingents innerhalb der geplanten UN-Friedenstruppe für den Kongo entscheiden. Ein solcher Einsatz wäre für Südafrika eine Premiere.

Auch Sambias Präsident Frederick Chiluba, der in den Kongo-Vermittlungsbemühungen eine aktive Rolle gespielt hatte, warnte bei der Unterzeichnungsfeier vor hochgesteckten Erwartungen. „Die Unterschrift heißt noch nicht, dass im Kongo Frieden herrscht“, mahnte er, „sie ist nur ein kleiner Schritt auf dem Weg dorthin.“ Denn selbst die Mitglieder der Regionalorganisation SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika), der immerhin vier der sechs in den Kongo-Krieg verwickelten Länder angehören, sind weit entfernt von einer gemeinsamen Außenpolitik und uneins darüber, wie man sich zu Kriegen in Mitgliedsstaaten verhält.

Die SADC, der derzeit 14 Staaten angehören (Südafrika, Mosambik, Malawi, Simbabwe, Namibia, Botswana, Angola, Kongo, Tansania, Sambia, Lesotho, Swasiland, Seychellen und Mauritius), strebt langfristig an, ein starker regionaler Block zu werden, und hat dazu als ersten Schritt die Errichtung einer Freihandelszone beschlossen. Innerhalb des Bündnisses aber gibt es nicht nur ein starkes wirtschaftliches Gefälle, sondern auch massive politische und strategische Differenzen.

Mit Misstrauen beäugen die ehemaligen Frontstaaten gegen das südafrikanische Apartheidregime das selbstbewusste Auftreten von dessen Nachfolgern im ANC. Ohne die wirtschaftliche und politische Zugkraft Südafrikas aber ist jede Entwicklung der ansonsten bettelarmen Region undenkbar.

Zwar soll bis zum kommenden Jahr vor allem auf Betreiben Südafrikas ein Nichtangriffspakt für alle Mitglieder abgeschlossen werden – angesichts der starken Spannungen innerhalb des Bündnisses scheint das jedoch vollkommen unrealistisch. Auf der diesjährigen SADC-Tagung Mitte August in der mosambikanischen Hauptstadt Maputo vertagten die 14 Staatschefs wieder einmal alle Streitfragen wie zum Beispiel den Konflikt um das sogenannte „Sicherheitsorgan“ der SADC.

Simbabwes Präsident Robert Mugabe, Vorsitzender des „Sicherheitsorgans“, hatte im vergangenen Jahr im Alleingang entschieden, dem bedrängten kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila militärisch zu Hilfe zu eilen. Eines formalen SADC-Beschlusses, so glaubt er bis heute, bedurfte es dafür nicht. Daran übte vor allem Südafrika scharfe Kritik.

Bis heute allerdings ist Mugabe weiterhin der Vorsitzende des Sicherheitsorgans, und dessen Befugnisse sind weiterhin ungeklärt – obwohl die Lage in der Region immer instabiler wird. Denn nicht nur im Kongo herrscht Krieg, sondern auch in Angola, und dazu kommt ein neuer grenzüberschreitender Unruheherd in Namibias Caprivi-Streifen.

Doch auch Südafrikas Außenpolitik ist alles andere als stringent. Zwar hängt Nelson Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki der Vision einer „Afrikanischen Renaissance“ an, und die südafrikanische Regierung will als neue Ordnungsmacht auf dem Kontinent ernst genommen werden. Mit der Militärintervention im Zwergstaat Lesotho im September 1998 wurde jedoch der Anspruch, Konflikte grundsätzlich auf friedlichem Wege zu lösen, ad absurdum geführt. Warum, so fragten danach Kabilas Bündnispartner Simbabwe, Angola und Namibia prompt, gilt in südafrikanischen Augen für den Kongo nicht, was für Lesotho gelten soll?

Besonders deutlich tritt die außenpolitische Unschlüssigkeit in der Region beim Krieg in Angola zu Tage. Sowohl in der südafrikanischen Regierung als auch unter den SADC-Staaten wird zu Angola geradezu auffällig geschwiegen, obwohl der Krieg zwischen MPLA-Regierung und Unita-Rebellen dort mittlerweile zu den brutalsten der Welt zählt. Zwar wurde Angolas Präsident Eduardo dos Santos beim jüngsten SADC-Gipfel humanitäre Unterstützung zugesagt. Kein einziges SADC-Land aber fordert derzeit laut, dass sich die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch setzen.

Noch im vergangenen Jahr waren sie der Propaganda der angolanischen Regierung auf den Leim gegangen und hatten Savimbi großspurig zum Kriegsverbrecher erklärt. Nun steht die SADC vor der unabänderlichen Einsicht, dass Unita-Rebellenführer Jonas Savimbi 80 Prozent Angolas unter Kontrolle hat und selbst die Hauptstadt Luanda jederzeit einnehmen könnte. Seit dem Abzug der UNO aus Angola im Februar diesen Jahres aber spricht niemand mehr von einer politischen Lösung.

Und auch Südafrika zeigt wenig Interesse daran, in dem aussichtslos scheinenden Angola-Konflikt diplomatische Lorbeeren zu verdienen. „Solange dos Santos selbst nicht gesprächsbereit ist“, so ein hoher südafrikanischer Regierungsbeamter, „hat es auch wenig Sinn, als Vermittler aufzutreten.“ Und selbst sanften Druck will man derzeit nicht ausüben.