Hauskrach bei ImmiGrün

■ Grünen-Kritik des zurückgetretenen Vereinschefs löst Distanzierungswelle aus

Berlin (taz) – Eine Distanzierungswelle löste der zurückgetretene Vorsitzenden von ImmiGrün, Atti Özdemir, aus. Er wirft den Grünen vor, sie hätten ihre integrations- und migrationspolitischen Vorstellungen machtpolitischem Kalkül geopfert (siehe taz vom 31. 8.). „Mir ist der Schritt von Özdemir unverständlich. Als Mitglied des Parteirates und von ImmiGrün weiß ich um die Auseinandersetzung um Integrationspolitik. Ein Thema, das wie kein anderes die Grünen über alle Flügelstreitigkeiten hinweg vereint“, erklärt Helga Flores Trejo aus Bonn.

Enttäuscht zeigt sich auch der grüne Europaabgeordnete Ozan Ceyhun. Özdemir habe mit seinen „unklugen und emotionalen Äußerungen“ den Migranten einen „Bärendienst“ erwiesen. Worin dieser besteht, lässt Ceyhun offen. Mitglieder von ImmiGrün befürchten indes, das Vertrauensverhältnis zu den Grünen könnte durch die Attacken Özdemirs beschädigt sein.

„Man kann nur etwas bekommen, wenn man es sich auch verdient“, meint streng protestantisch die Hamburger Sprecherin von ImmiGrün, Filiz Demirel. Özdemir betrachte die Organisation offensichtlich als einen Karriereclub. Auch Ceyhun unterstellt Özdemir Karrieredenken: „Man kann nicht gleich von Rassismus sprechen, wenn ein Migrant bei einer Listenaufstellung scheitert.“ Spekulationen um mögliche Ambitionen auf einen Parlamentsposten hatte Atti Özdemir in seiner Rücktrittserklärung dementiert.

Bedauern über den Rücktritt äußerte der Münchener Adil Oyan, der nun kommissarisch die Geschäfte von ImmiGrün leitet. Er räumt ein, dass die Zusammenarbeit mit den Grünen nicht immer reibungslos verlaufe. „Das sollte Anreiz sein, uns weiter einzumischen.“ Zumal, so Oyan, ImmiGrün mit seinen rund 250 Mitgliedern sich innerhalb der Grünen etabliert habe. Mandatsträger von ImmiGrün fänden sich auf Europa- und Bundesebene, auf Landes- und kommunaler Ebene.

Eberhard Seidel