Steckt Tributylzinn in Lebensmitteln?

■ Das Gift wurde in gestrandeten Robben nachgewiesen / Greenpeace untersucht jetzt Fische, Muscheln und Kuhtränken

Das Umweltgift Tribultylzinn (TBT) ist in der Nahrungskette einige Stufen höher gekrabbelt. Greenpeace wies gestern auf Untersuchungen hin, nach denen in wenige Wochen alten Seehundbabies giftige TBT-Zerfallsprodukte gefunden wurden. Manfred Krautter von Greenpeace: „Die Seehunde haben sich fast ausschließlich von Muttermilch ernährt.“ Bei den Seehunden handelt es sich um an der schleswig-holsteinischen Küste gestrandete Tiere. In Polen und England wurden ebenfalls TBT-vergiftete Robben entdeckt.

Neben den Seehunden hat Greenpeace auch Wattwürmer auf TBT untersuchen lassen. In den Wattwürmern ist laut Greenpeace die Konzentration von TBT zehnmal so hoch, wie in deren direkter Umgebung. Wattwürmer sind die Lieblingsspeise von jungen Schollen. „Die Vermutung liegt also nahe, dass auch die Fische mit TBT belastet sind“, meint Krautter. „Das Ergebnis ist äußerst Besorgnis erregend“, erklärt der Greenpeace Chemiker. Und weiter: „Damit ist bewiesen, dass TBT in die Nahrungskette des Wattenmeeres gelangt ist und sich in den Tieren anreichert.“

Als Konsequenz aus dem TBT-Nachweis in Würmern und Robben, untersucht Greenpeace jetzt Speisefische und Muscheln. Wird in diesen Tieren TBT gefunden, kommt auch der Mensch direkt mit dem Gift in Berührung.

Zur Zeit haben nur Hamburg und Bremerhaven vor dem Verzehr von Fischen aus der Binnenalster beziehungsweise den Bremerhavener Häfen gewarnt.

Neben Fischen und Muscheln untersucht Greenpeace auch Wasserproben aus ostfriesischen Viehtränken. Das Greenpeaceschiff Beluga ist zur Zeit auf einer Tour, um TBT-Quellen und TBT-Verbreitung zu dokumentieren. Dabei besuchte die Beluga auch die Stadt Papenburg an der Ems. Dort war eine erhebliche TBT-Verseuchung des Hafenschlammes festgestellt worden. Außerhalb des Hafens werden weniger stark verseuchte Ablagerungen aufgepflügt und weggespült. Da bei Flut Wasser und Schlamm aus der Ems in die Viehgräben schwappen, besteht der Verdacht, dass auch das Trinkwasser der Rinder mit TBT-belastetem Sand verseucht ist. Die Auswertung dieser Proben wird in einigen Wochen erwartet.

An der deutschen Nordseeküste war eine TBT-Schädigung bei Schnecken festgestellt worden. Bei weiblichen Schnecken bildeten sich die Geschlechtsorgane zurück. Teilweise wuchsen den Tieren Penisse. Die Schnecken wurden unfruchtbar. In stark mit TBT belasteten Wattenmeer-Regionen ist die Wellhornschnecke deshalb bereits ausgestorben.

Glaubt man den Forschungen amerikanischer Wissenschaftler, dann sollen beim Menschen hormonell wirkende Gifte wie TBT das Immunsystem schwächen.

Thomas Schumacher