Reisswolf Werthebach vernichtet Akten

■  Für den Innensenator belastendes Material zur Konsulatsbesetzung ist auf Anweisung der Innenverwaltung vernichtet worden. Grüne und PDS: Skandal, wir sollten hinters Licht geführt werden. SPD vermutet Vertuschung

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) trägt offensichtlich eine größere politische Verantwortung für das Blutbad am israelischen Generalkonsulat als bisher bekannt. Nach den Worten von Frank Ebel (SPD), Mitglied im Untersuchungsausschuss zur Affäre, hat die Innenverwaltung den Verfassungsschutz des Landes angewiesen, einen brisanten Aktenvermerk zu vernichten, „der nicht in die politische Rechtfertigung des Innensenators passte“.

Die Aktenvernichtung wirft ein schlechtes Licht auf Werthebach. Denn das vernichtete Papier legt nahe, dass die Berliner Sicherheitsbehörden das Generalkonsulat nicht ausreichend schützten, obwohl die Innenverwaltung von der großen Gefahr für die diplomatische Vertretung gewusst hat. Bei der Besetzung hatten israelische Wachleute Mitte Februar vier Kurden, eine Frau und drei Männer, mit Schüssen tödlich verletzt.

Die Argumentation von Werthebach war stets, dass es für eine Gefährdung des Generalkonsulats im Vorfeld nur abstrakte Hinweise gegeben habe. Ausserdem sei die Vertretung in einer Prioritätenliste gefährdeter Objekte in Berlin etwa erst hinter der SPD-Zentrale in Kreuzberg aufgetaucht. Während jedoch das Willy-Brandt-Haus nach der Entführung des PKK-Führer Abdullah Öcalan mit Dutzenden von Polizisten geschützt worden war, hatten vor dem israelischen Generalkonsulat nur die üblichen drei Wachpolizisten Dienst geschoben. Kurden hatten sie überrannt und waren ins Konsulat eingedrungen.

Nach der gestrigen Vernehmung des Chefs des Landesamtes für Verfassungsschutz, Eduard Vermander, steht nun fest, dass es einen Vermerk Vermanders gab, den dieser über ein Gespräch mit dem Bundesverfassungsschutzchef Peter Frisch am Vortag der Konsulatsbesetzung anfertigte. Darin hielt Vermander fest, dass im Gespräch eine Rangfolge der gefährdeten Objekte nicht festgelegt wurde. Das heisst in der Konsequenz, dass vor der Konsulatsbesetzung alle Objekte als gleich gefährdet angesehen wurden und logischerweise einen ähnlich starken Schutz bedurft hätten.

Dieser Vermerk aber wurde nach Absprache zwischen der Senatsinnenverwaltung und dem Landesamt für Verfassungsschutz vernichtet. Die aus der Welt geschaffene Notiz wurde jetzt von einer neuen ersetzt. In dieser steht, dass es doch eine Prioritätenliste gefährdeter Objekte gab.

„Wir sollten hinters Licht geführt werden“, wertete der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Wieland die neuen Erkenntnisse. Er kenne kein vergleichbares Beispiel, bei dem ein Behördenchef den Reisswolf betätigt habe. Zudem seien seitens der Verwaltung wichtige Akten nicht zur Verfügung gestellt worden.

Das Ausschussmitglied Marion Seelig (PDS) sagte: „Das ist ein Skandal.“ Hier sei offensichtlich versucht worden, etwas zu vertuschen. Der SPD-Innenexperte Ebel betonte: „Damit bricht die zentrale Argumentation des Innensenators zusammen, der Bund habe die Gefährdung für das Israelische Generalkonsulat unterschätzt. Tatsache ist, dass diese falsche Bewertung von den Berliner Sicherheitsbehörden zu verantworten ist.“

Die Innenverwaltung wollte sich zunächst zu den Vorwürfen nicht äußern, sondern verwies auf den CDU-Vertreter im Ausschuss, Andreas Gram. Die Angelegenheit sei schließlich Gegenstand eines Untersuchungsausschusses. Seelig zeigte sich erstaunt, dass demnach offenbar eine Fraktion für die Innenverwaltung sprechen solle. Gram dagegen sagte, der Ausschuss haben den Rahmen der Seriösität verlassen. Vermander betonte, er habe sich als Beamter bis heute nichts zu schulden kommen lassen. Philipp Gessler