Sommer, Sonne, Paprika!

■ Vor 50 Jahren kam das erste deutsche Erotikmagazin auf den Markt

Nach 1945 gab Marika Röck den Ton an: „Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück. Ich brauch nur deine Liebe und Musik Musik Musik.“ Was heute der Karneval in Rio mit seinen Sambatänzerinnen, für die Deutschen der Nachkriegszeit waren glutäugige Neapolitanerinnen und feurige Czardasfürstinnen à la Marika Rökk der Gipfel an Erotik und Exotik. Das gusseiserne Frauenideal der Nazizeit hatte erst mal ausgedient. Paprika – das signalisierte „echt ungarisches“ Temperament. „Paprika“, das war auch der Titel eines der ersten erotischen Magazine der Nachkriegszeit, das seit 1949 zum Preis von DM 1,20 in Stuttgart erschien. Unter dem heute rührend naiv wirkenden Slogan „Sommer, Sonne, Paprika – ein Dreiklang für Optimisten“ wurde dem Publikum auf schlechtem Papier eine für damalige Verhältnisse gewagte Mischung aus „spritzigen Kurzgeschichten, spannenden Reportagen, bezaubernden Bildserien und künstlerischen Aktaufnahmen“ serviert. Für ein „Feuerwerk von guter Laune“ sorgten später bekannt gewordene Autoren wie Jo Hanns Rösler und Thaddäus Troll, deren „schmunzlige Erzählungen“ neben Neuigkeiten aus Mode, Kino und Musik und Reportagen standen, die z. B. „das wahre Gesicht der Geisha“ enthüllten oder – pikant, pikant – den deutschen Leser mit den freizügigen Lebensgewohnheiten amerikanischer „Cover-Girls“ vertraut machten.

In Leserbriefen drückte sich neben begeisterter Zustimmung zu der Gestaltung des Magazins auch Enttäuschung aus: „Ich vermisse bei Ihnen das freie, zügellos Erotische in Wort und Bild“, klagt da ein frustrierter Dipl.-Ing. aus Hamburg. Doch angesichts der sich formierenden Sittenwächter war das mit der Zügellosigkeit für die Redaktion gar nicht so einfach. Die „künstlerische Gestaltung“ der Aktkompositionen und die Bildunterschriften mit Dichterworten wie Jean Pauls „Wer die Seele einer Frau sucht, ist nicht immer enttäuscht, ihren Körper zu finden“ waren wohl notwendige Vorsichtsmaßnahmen und Zugeständnisse an die Staatsanwälte, die die neugegründete Republik vor „Schmutz und Schundliteratur“ bewahren wollten. Wenn es ein Text doch einmal wagte, in das verruchte Leben der Lasterhöhlen von Budapest einzutauchen, dann klang das so:

„Sie hieß Juliska. Eben stampfte sie auf dem Bartisch einen Czardas, dass die Gläser zu Dutzenden auf den Boden klirrten. Sinnverwirrend rauschte das Cymbal dazu, winselten die Fiedeln und rummsten die Bässe den rasenden Rhythmus. Mit beiden Händen griff sie den Saum ihres Rockes, der bis an die Hüften geschlitzt war, und riss ihn hoch, so dass er das exakte Muskelspiel ihrer schlanken Beine freigab ...“

Trotz aller unfreiwilligen Komik – Paprika war zumindest ein Versuch, dem nach Unterhaltung lechzenden deutschen Publikum internationales Flair näherzubringen. Aber der Zeitgeist arbeitete unerbittlich gegen die publizistischen Freigeister der ersten Stunde. Die Aufbruchstimmung wurde schon bald nach Gründung der Bundesrepublik durch die Rückbesinnung auf „alte Werte“ gebremst. Die Retuscheure und „Freiwilligen Selbstkontrolleure“ der Adenauerzeit verordneten den Medien Sauberkeit und Zucht und Ordnung, und selbst die für heutige Begriffe so zaghaften erotischen Magazine wurden der Reihe nach unter die Ladentische verbannt. So war es nicht weiter verwunderlich, dass im April 1950 Paprika zum letzten Mal erschien. Erbswurstgraue Eintopfstimmung lastete fürderhin auf den Wirtschaftswunder-Aufbaujahren. Rüdiger Kind