taz_archiv_376051272611

„Die Tiere freuen sich“

■ „Carmen 2000“ als „kulturpolitische Aufgabe“ bei Hagenbeck Tierpark

Ich lebe in Hamburg-Lokstedt. Hier ist es schön grün, ich habe nicht sonderlich viel Platz, wohne aber dafür mit meinen Freunden zusammen. Jeden Tag bekomme ich Besuch von einer Menge Leute, daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Die bleiben vor mir stehen und gucken mich die ganze Zeit an, als sei ich etwas Besonderes. Ich bin ein Elefant und lebe in Hagenbecks Tierpark. Eigentlich kann ich mich nicht beschweren, doch ich glaube, nächstes Jahr wird mein Leben richtig anstrengend: Dann soll hier im Park nämlich mit viel Trubel die „populärste Oper der Welt“ neu inszeniert werden: Carmen 2000.

Meine Ohren sind so groß, mit denen konnte ich am Freitag sogar die Pressekonferenz im Park Hyatt Hotel belauschen. Cord Garben, der musikalische Leiter, hat gesagt, es gebe nur Höhepunkte, es werde ein Mega-Event. Es sei eine „kulturpolitische Aufgabe“, auch mal die Leute anzulocken, die sonst nicht in die Oper gingen. 119 Mal würde Carmen die Herzen der Zuschauer zum Schmelzen bringen wollen, und jedesmal würden 2000 Besucher erwartet. Die latschen dann abends alle durch unseren Park. Hoffentlich schmettern sie wenigstens keine Arien. Normalerweise kann ich mich nämlich schon um sieben aufs Ohr legen.

Unser Chef, Herr Weinlig-Hagenbeck, hat gesagt: „Die Tiere freuen sich und sind von ganzem Herzen davon überzeugt, dass Carmen in den Tierpark passt.“ Er hat uns zwar nicht gefragt, aber es kann schon sein, dass Carmen hierher passt. Ich hätte auch gar nichts dagegen, wenn sie mich einfach mal so besuchen würde, aber muss sie denn jeden Abend singen?

Wir Tiere sind jedenfalls schon sehr gespannt, was die Menschen damit meinen, wenn sie sagen, dass es „ganz feurig“ wird. Zur Einstimmung gibt es für die Besucher hier im Park ab November den Carmen 2000-Sekt. Für uns gibt es immer nur Wasser aus Eimern. Aber damit können wir wenigstens löschen, wenn es zu feurig wird.

Ben Blume

4. Juni bis 1. Oktober 2000, Karten 70 bis 250 Mark, Hotline: 300 51 234