Ohren anlegen unerwünscht

■ Der internationale Studiengang für Fachjournalistik an der Hochschule Bremen hat eine neue Chefin bekommen: Die 35-jährige Wissenschaftlerin Beatrice Dernbach

Wieviele Journalistik-Studiengänge gibt es inzwischen in Deutschland?

Beatrice Dernbach: An Fachhochschulen gar keine. Eigenartigerweise sind journalistische Studiengänge in erster Linie an Universitäten und nicht an Fachhochschulen eingerichtet worden. In Münster, Berlin, München, Leipzig und Dortmund gibt es große Institute, in denen werden bereits seit Jahrzehnten universitär Journalisten ausgebildet. Andere haben nachgezogen. Die Praxisausbildung ist in einer Universität nur schwer zu integrieren, meistens müssen die Studierenden Vorpraktika nachweisen.

taz: Das ist in Ihrem Studiengang in Bremen aber auch so.

Ja, aber auch während des Studiums gibt es ein verpflichtendes Praktikum. An den Universitäten Dortmund oder Eichstätt zum Beispiel hat man ein integriertes Volontariat im Hauptfach Journalistik. Das werde später auch akzeptiert, sagen die Kollegen. Aber ich kenne Absolventen, die trotzdem noch einmal volontieren mussten.

Kommen denn die „Diplom-Journalisten“, die hier ausgebildet werden, um ein Volontariat herum?

Ich fürchte: Nein. Das liegt nicht an der Qualität der Ausbildung, sondern an den alten Zöpfen in den klassischen Medienbetrieben. Über die Qualität und den Sinn eines Volontariats lässt sich trefflich diskutieren. Gut macht das in meinen Augen die F.A.Z.: Sie schickt ihre Volontäre zwar zunächst ein halbes Jahr durch das Haus, aber der ehemalige Ausbildungsbeauftragte hat mir einmal gesagt: „Diese Leute sind um die 30 und haben bereits eine gute Ausbildung – die müssen wir nicht noch mal knechten. Die wollen wir so schnell wie möglich einsetzen.“

Diese Menschen haben meist ein abgeschlossenes Fachstudium. Ist es ein Mythos, dass ein Fachstudium für den Einstieg in den Journalismus besser ist als ein Publizistik- oder Journalistik-Studium?

Das ist ein Vorurteil, das vor allem von den Praktikern bei jeder Tagung wiederholt, aber deshalb nicht richtiger wird. Die Leute, die heute in den Verlagen das Sagen haben, wissen zum größten Teil nicht, was in solchen Studiengängen gelehrt wird. Ein Hochschulstudium will ja vor allem Interesse wecken für Themenfelder und den Horizont weiten – deshalb finde ich das Studium hier in Bremen, das ja sehr interdisziplinär angelegt ist, so interessant.

Landen diese Menschen denn verlässlich im Journalismus?

Ein großer Teil unserer Studierenden in Bamberg geht in den Lokaljournalismus oder den PR-Bereich. Das sehe ich auch als eine mögliche Entwicklungschance für Bremen. Alles was mit öffentlicher Kommunikation zu tun hat, gehört inzwischen zum Journalismus. Öffentlichkeitsarbeiter sind heute häufig journalistisch ausgebildet – weil sie sonst keine erfolgreiche Arbeit machen können.

Aber der Unterschied ist doch eklatant: In der Öffentlichkeitsarbeit wird interessengeleitet gearbeitet. Ein Journalist sollte kritische Distanz wahren.

Über den PR-Bereich gibt es eine Menge überholter Vorurteile. Greenpeace, immerhin eine profit-orientierte Organisation, macht eine der professionellsten Öffentlichkeitsarbeiten in Deutschland. Wenn ein PR-Angestellter die professionellen Standards anwendet, um seinen Job gut zu machen, ist das nicht verwerflich. Auch die Journalisten sind nicht alle hehr. Jeder muss seine Tätigkeit mit seinem Gewissen vereinbaren. Ich will Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit nicht in einen Topf werfen. Aber gerade für die Studenten gibt es mehr als den Journalismus in den klassischen Medien, gerade im Wirtschafts- und Technikbereich.

Wie wollen Sie das denn in den Studiengang einbringen?

Einerseits machen wir Medientheorie, andererseits Fachausbildung. Spätestens im Hauptstudium muss die Verknüpfung von Fachausbildung und Journalismus gelingen. Ich selbst will spätestens im siebten Semester einen Kurs „Wissenschafts- oder Fachjournalismus“ anbieten, wo die beiden Stränge zusammengeführt werden sollen.

Wie sehen Ihre Pläne aus?

Ich sehe mich nicht als neuen Besen, der erstmal alles ausfegt. Ich übernehme ein Projekt, das sehr gut vorbereitet wurde. Die Kollegen haben ganz toll gearbeitet. Die ersten Studierenden haben ihre Auslandssemester angetreten, im sechsten Semester folgt ein Praxissemester im Inland. Ich werde an den Vorarbeiten meiner Kollegen anknüpfen.

Was ist denn der Vorteil dieses Fachhochschulstudiengangs gegenüber den renommierten Journalistenschulen, die als Schmiede der modernen Journalisten gelten?

Wer sagt das denn? Der Berufszugang ist frei, deshalb haben sich inzwischen viele Ausbildungsmöglichkeiten etabliert. Journalistenschulen sind eine davon. An den Universitäten und Fachhochschulen werden ausschließlich Bewerber für den freien Markt ausgebildet, die Absolventen schwärmen aus und suchen sich einen Job. Der Vorteil eines Fachhochschulstudiums ist: Die Studierenden können ohne Praxiserfahrung keinen Abschluss machen. Und dabei werden oft wichtige Kontakte geknüpft.

Das müssen allerdings auch die Journalistenschüler.

Aber in einem Studium hat man eher noch die Möglichkeit zu sagen: „In meinen Ferien mache ich ein Praktikum im Hörfunk oder beim Fernsehen oder im Printbereich.“ Es gehört doch durchaus zu diesem Berufsfeld, sich die Möglichkeit offen zu halten, in verschiedenen Medien zu schnuppern.

Wollen Sie Ihre Studenten denn nur Handwerk oder auch politisches Interesse lehren?

Es gibt in jeder Generation politische und unpolitische Menschen. Natürlich will ich politisches, das heißt kritisches Denken, vermitteln, aber das ist schwerer, als man denkt. Es gibt ja auch im Journalismus eine Tendenz, den Beruf nur als Job anzusehen. Man muss sich wohl fragen, ob wir langsam eine Gesellschaft prägen, in der es opportun ist, die Ohren anzulegen und seine Schäflein ins Trockene zu bringen, anstatt sich ein- und auseinanderzusetzen.

Sind Sie ein politischer Mensch?

Ja, auf jeden Fall. Vor allem: Ein kritischer Mensch. Jedenfalls bin ich kein ruhiger Mensch, der seinen Hintern auf einem Sessel plaziert und dann 30 Jahre sitzen bleibt. Fragen: Christoph Dowe/

Foto: Kay Michalak