Pumpende Bässe und strahlende Maschinen

■ Kit Clayton und das Wire-Soundsystem bringen den Charme von Jamaika ins WMF

Musikalische Grenzen gibt es keine, jede Art von kommerzieller Musik bleibt natürlich außen vor

In Berlin hat sich vor einiger Zeit eine Spielart elektronischer Musik formiert, die überall auf der Welt gefeiert wird. Auf der Basis von klassischem Dub, der extrem im Studio bearbeiteten und verfremdeten Version von Reggae, wird besonders im Umfeld der einflussreichen Berliner Labels Chain Reaction und Basic Channel versucht abstrakte Elektronik zum leichten Federn und relaxten Pumpen zu bringen. Dub wird zum Prinzip, das ein paar Sonnenstrahlen in die allzu oft finster klingende Maschinenmusik mit dem leichten Hang zu eintöniger Melancholie bringen soll.

Zu einer wichtigen Figur dieser speziellen Form von Großstadt-Dub hat sich Stefan Betke emporgeschwungen, ein Berliner Elektronikmusiker, der seine Alben in der Regel unter dem Namen „Pole“ aufnimmt. Er entlockt in seiner Musik einem kaputten Waldorf-Filter ein Rauschen, das er nochmals verfremdet und zum knisternden Grooven bringt. Einfach, aber extrem wirkungsvoll. Der Charme von Jamaika entfaltet sich in Betkes Tracks genauso wie beispielsweise der Geräuschpegel am U- und S-Bahnhof Alexanderplatz.

Stefan Betke hat jetzt ein Label gegründet, das sich Scape nennt. Auf diesem soll es fortan ausschließlich Dub-infizierte elektronische Musik nach dem eingeführten Muster geben, so wie die von Kit Clayton.

Dieser kommt aus San Francisco, einer Stadt, in der sich in der letzten Zeit eine ziemlich respektierliche Experimental-Elektronik-Szene etabliert hat. Im immer noch Techno-rückständigen Amerika durchaus etwas Besonderes.

Kit Claytons erste Platte, die demnächst auf Scape erscheinen wird, klingt beinahe so, als hätte Stefan Betke die möglichst stringente Corporate Identity seines Labels extra auf Kit Clayton abgestimmt. Wie hinter einem Vorhang pumpen fette Bassketten, zu denen sich jede Menge verspielte Sound-Gimmicks gesellen. Alles wirkt ungemein weitflächig, beinahe unwirklich durch eine alles durchdringende federnde Leichtigkeit.

Nun hat Wire, das englische Fachblatt für Musikliebhaber mit ganz besonderen Geschmacksnerven, eine ausgeprägte Vorliebe für elektronische Musik aus Deutschland, insbesondere neutönerische Elektronik aus Köln und Berlin kommt in der Redaktion sehr gut an. Pole wurde hier schon ausgiebig gefeiert, und mit Kit Clayton, dem Berlin-Schüler aus Kalifornien, dürfte es ebenfalls keine Probleme geben. Deshalb tritt Kit Clayton in Berlin auch zusammen mit dem Wire-Soundsystem auf, sozusagen im Sinne geistiger Verbrüderung. Die Wire-DJs setzen konsequent die Philosophie ihres Heftes um: Musikalische Grenzen darf es nicht geben, fast nicht, kommerzielle Musik jeder Art bleibt natürlich draußen.

Dafür kann schon mal Gamelan mit knattrigem Drum & Bass in den Mix geworfen werden oder minimalistischer Techno mit Ligeti. Oder Kit Clayton mit Pole. Wir werden hören.

Andreas Hartmann

Kit Clayton (Scape)/Wire-DJs: am 4. 9. ab 24 Uhr im WMF, Johannisstr. 19, Mitte