Beim Umweltengel abgeblitzt

■  Wärmepumpen werden von Experten unter ökologischen Gesichtspunkten kritisch bewertet. Die Untersuchungen der Stromwirtschaft basieren auf Bedingungen, die in der Praxis kaum zu erreichen sind

„Es kommt auf exakte Planung, Auslegung und Ausfertigung an, damit die Werte erreicht werden.“

Franz Wegener, bündnisgrüner Ratsherr in der Ruhrgebiets-Kommune Gladbeck, staunte nicht schlecht vor rund zwei Jahren: Da plante die städtische Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Gladbeck mbH (GWG), einen Neubau mit einer elektrischen Wärmepumpe energetisch zu versorgen. „Dass in rund einem Drittel der 2.000 GWG-Wohnungen noch Strom fressende Nachtspeicherheizungen stehen, reicht wohl noch nicht, jetzt will die bei uns zuständige RWE Energie AG wohl noch weitere Marktanteile über die Wärmepumpen gewinnen.“

Gladbeck ist kein Einzelfall: Wärmepumpen, die von der Elektrizitätswirtschaft als „sanfte und umweltverträgliche Energieversorgung unter Nutzung regenerativer Energieformen“ angepriesen werden, sind wieder im Kommen. Hatte Anfang der 90er Jahre der jährliche Zubau von Wärmepumpen bundesweit noch konstant bei 400 bis 500 Anlagen pro Jahr gelegen, gingen allein 1997 mehr als 3.000 neue Wärmepumpen in Betrieb. Dennoch stagniert bundesweit deren Bestand bei rund 47.000, da die Neuanlagen die Zahl der ausgemusterten Pumpen bislang nur ausgleichen konnte. Ende der 70er Jahre nach den beiden Ölkrisen hatte es schon einmal einen Boom bei den Wärmepumpen gegeben, der schnell abflachte, weil die Aggregate technisch nicht ausgereift waren. Dass die Stromversorger versuchen, mit einer Kampagne die Renaissance der „Öko-Heizung“ einzuleiten, ist leicht zu erklären: „Die Energieversorger suchen neue Absatzmärkte. Da der Strombedarf, wenn überhaupt, nur sehr moderat steigen wird, sind sie froh über jede Kilowattstunde, die sie im Wärmemarkt unterbringen können“, erklärt Manfred Fischedick, Energiefachmann vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

Das Prinzip der Wärmepumpe ist mit dem eines Kühlschranks vergleichbar: Wärme wird von einem Ort an den anderen „gepumpt“: beim Kühlschrank aus dem Innern nach draußen, bei der Raumheizung per Wärmepumpe aus dem Freien in die Wohnung. Genauso wie sich der Kühlschrank auf der Rückseite erwärmt, bringt die Wärmepumpe Umgebungswärme in die Wohnstube. Energetisch scheint dies Verfahren sinnvoll: Mit dem Einsatz einer Kilowattstunde Strom lassen sich theoretisch 3 bis 4 Kilowattstunden Wärme in die Wohnung pumpen.

Entscheidend für die Ökobilanz der Wärmepumpe sind zwei Faktoren: zum einen die Art des Kraftwerks, das den notwendigen Strom erzeugt. Stammt der Strom aus Kohlekraftwerken, sind die Energieverluste bei der Produktion so groß, dass gerade noch ein Drittel der Energie in der Steckdose ankommt. Zum anderen hängt die Effizienz einer Wärmepumpe von der sogenannten Jahresarbeitszahl ab, dem Verhältnis von Nutzenergie zu eingesetzter elektrischer Energie. Dieser Quotient erreicht in der Regel Werte von maximal 4. Deshalb versehen die Stromversorger diese Technik mit dem Zusatz „Öko“, Energieexperten bewerten dagegen das gesamte System als kritisch. „Um beim Ökovergleich besser abzuschneiden als ein Gas-Brennwertkessel, müsste die Jahresarbeitszahl bei mindestens 4,6 liegen“, hat Wuppertal-Forscher Fischedick ausgerechnet. Werner Eicke-Hennig, Leiter des hessischen Impuls-Programms für rationelle Stromnutzung und Niedrigenergiebauweise, hält die von der Stromwirtschaft oft behaupteten Jahresarbeitszahlen von mehr als 4 für wenig stichhaltig. Er verweist dabei nicht nur allein auf unterschiedliche Berechnungsmethoden: „Alle vorliegenden Untersuchungen, und zwar auch von der Stromseite, zeigen, dass Jahresarbeitszahlen von mehr als 3,5 zwar von den Herstellern unter optimalen Bedingungen auf ihren Prüfständen gemessen worden sind, diese Zahlen aber in der Praxis kaum erreicht werden.“

Auch zur Klimaentlastung trägt der Wärmepumpen-Einsatz nicht bei. Nach Auswertungen des Energieexperten Dieter Seifried vom Freiburger Öko-Institut sind die Kohlendioxid-Emissionen einer Wärmepumpe selbst bei einer guten Arbeitszahl von 4 noch höher als bei einer Gasheizung. Im Vergleich zum Blockheizkraftwerk, das Wärme und zugleich Strom erzeugt, ist die Wärmepumpe noch weiter abgeschlagen.

All das hat die Wärmepumpen-Lobby nicht davon abgehalten, das Umweltzeichen Blauer Engel für ihren stromgetriebenen Lieblingsofen zu fordern – mit blamablem Erfolg. „Beim Einsatz einer elektrischen Wärmepumpe kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass in der Praxis eine Entlastung in Bezug auf den Ressourcenverbrauch und die CO 2-Emissionen im Vergleich zu Gas- und Ölheizungssystemen erfolgt“, lautet das Fazit einer Studie, die das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) für das Umweltbundesamt erstellt hat. Die Wärmepumpen per se mit einem Produktzeichen aufzuwerten macht für ifeu-Mitarbeiter Markus Duscha keinen Sinn: „Gerade bei den Wärmepumpen kommt es auf eine exakte Planung und Auslegung an, damit die versprochenen Werte erreicht werden.“

Von solchen negativen Bewertungen lässt sich die Stromwirtschaft nicht abhalten, weiter für Wärmepumpen zu werben. Auf ein ähnliches Engagement für Blockheizkraftwerke (BHKW) warten Umweltschützer seit langem vergebens, woran sich so schnell auch nichts ändern wird. Denn für die Wärmepumpe können die Energieversorger ihren Strom verkaufen, BHKWs dagegen liefern Strom ins Netz und sind somit Konkurrenz. Und nachdem die Vermarktung von Stromheizungen ökologisch verpönt ist, glauben die Energieversorger mit der Wärmepumpe ökologisch korrekt ihren Strom auf dem Wärmemarkt anbieten zu können.

Unterstützt werden sie dabei von Lobbyvereinen, wie beispielsweise dem „Initiativkreis Wärmepumpe“ (IWP). Dass der IWP die Debatte um die Jahresarbeitszahl anders sieht als die Energiewissenschaftler, verwundert nicht. Bereits ab einem Wert von 3,3 sei eine Wärmepumpe ökologisch besser als eine Öl- oder Gasheizung, sagt IWP-Sprecher Werner Flex. Der Grund für die frappierende Differenz: Während die Forscher bei ihrer Bilanz realistisch mit heutigen Steinkohlekraftwerken rechnen, ist die IWP-Zahl nur dann erreichbar, wenn der Strom aus modernen Gaskraftwerken kommt. Doch die haben nur geringen Anteil am heutigen Strommix.

Auch der IWP gesteht, dass die Grenze der Wirtschaftlichkeit tatsächlich erst ab einer Arbeitszahl von 4 erreicht ist. Und dass dieser Wert nur „bei vernünftiger Auslegung, guter Wärmequelle und einem guten Verteilsystem“ erreicht werden kann, räumt auch Sprecher Flex ein. Der entscheidende Punkt: Wer keine Niedertemperaturheizung besitzt (was üblicherweise eine Fußbodenheizung ist), kann die Wärmepumpe in der Regel ohnehin vergessen.

Wenn schon keine ökologischen Argumente, so haben die Energieversorger ein wirtschaftliches Trumpf-Ass in der Tasche: den Strompreis. Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut: „Beim Einsatz von Wärmepumpen sollte kein Bauherr übersehen, dass die Installation sehr aufwendig und teuer ist. Deshalb rechnen sich Wärmepumpen nach meinen Erfahrungen nur, wenn die Betreiber extreme Sonderkonditionen von ihren Stromversorgern eingeräumt bekommen.“ In dem Gladbecker Neubau mit der Wärmepumpe müssen die Mieter nach Informationen der lokalen Bündnisgrünen nur 8,4 Pfennig für ihren Heizstrom zahlen, dagegen müssen normale Haushaltskunden etwa das Dreifache berappen. Um die Zahl der Wärmepumpen zu steigern, wird die Stromwirtschaft künftig wohl noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Gab es für die strombetriebenen Pumpen bislang Fördermittel aus dem Bundeshaushalt, so sieht das seit dem 1. September geltende Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien eine einschneidende Änderung vor: Fördergelder gibt es nur, wenn der benötigte Strom regenerativ erzeugt wurde. Ralf Köpke