Steine auf Rechte sind keine Zeile wert

■ In Brandenburg sind nicht nur die Rechten brutal: Die DVU ist Ziel gewalttätiger Angriffe von links. Und die Presse schweigt dazu

Berlin (taz) – Skandal! Am vergangenen Sonntag wurde ein Mitglied des FDP-Kreisvorstandes Potsdam vor dem Fußballstadion Babelsberg von angetrunkenen Fans bespuckt und beschimpft. Rechte Gewalt! Die Medien berichteten ausführlich über den Vorfall. Und der Mann erstattete Anzeigen. Eine gegen die Rowdies. Und eine gegen die Polizisten – wegen mangelnden Einsatzes im Kampf gegen rechts.

Gestern flatterte eine Presseerklärung des grünen Landesverbandes Brandenburg auf den Redaktionstisch: „DVU entfernt Plakate anderer Parteien.“ Unglaublich! Da stemmt sich die grüne Spitzenkandidatin Inke Pinkert-Sältzer gegen die rechte Provokation: „Es wäre eine Katastrophe, wenn die DVU mit diesen undemokratischen Methoden in den Landtag kommt.“ Das ist wahr. Aber was ist das Problem in Brandenburg? Es gibt rechte Gewalt, und es gibt unlautere Mittel einer rechten Partei. Vor gewalttätigen Übergriffen auf den politischen Gegner wird sich diese Partei aber hüten.

Das Problem in Brandenburg hat sich kurzfristig umgekehrt: Wer tätlich angegriffen wird in den letzten Wochen, das sind nicht die Wahlkämpfer von SPD, PDS, CDU und Grünen, sondern die der DVU. Eine kleine, unvollständige Chronik: Am 21. August wird in der Innenstadt von Bad Liebenwerda ein Lautsprecherwagen der DVU attackiert und mit Steinen beworfen. Am gleichen Tag wird in der Potsdamer Havelbucht eines der Schiffe, die mit dem Emblem der DVU zur Landtagswahl werben, mit Sandsäcken beworfen. Am 27. August wird in Senftenberg ein Lautsprecherwagen der DVU von rund 15 Personen mit Steinen beworfen. Und am 30. und 31. August passiert Ähnliches in Spremberg. Die DVU behauptet sogar, am Mittwoch sei ein DVU-Fahrzeug beschossen worden. Aber, so ist aus Polizeikreisen zu erfahren: Der Schuss ist wohl eher ein Wunschtraum der Rechtsextremen.

Nun kann man sich als besorgter Demokrat über den entschlossenen Widerstand „keinen Fußbreit den Faschisten“ freuen. Über das Engagement junger Brandenburger, die die Hetzparolen der DVU als das begreifen, was sie sind – geistige Umweltverschmutzung.

Als verantwortungsbewusster Journalist könnte man allerdings auch denken: Es gibt ein Recht auf freie Rede, und die DVU ist eine zur Wahl zugelassene Partei. Und man könnte gar auf den verwegenen Gedanken kommen, DVU-Mitgliedern stehen die gleichen Bürgerrechte zu wie dem Rest der Bevölkerung – zum Beispiel das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Werden diese verletzt, ist das ganz im Sinne der Chronistenpflicht eine Meldung wert.

Aber weit gefehlt: Die Medien ignorieren die Übergriffe. Schließlich möchte man die Rechten nicht aufwerten. Sich nicht mitschuldig machen an einem möglichen Einzug der Rechten in das Parlament. Eine klare Haltung.

Der DVU, die sich inhaltlich und argumentativ bekanntlich unter dem Nullpunkt bewegt, kommt das taktische Verhältnis der bürgerlichen Presse zu den Bürgerrechten nicht ungelegen. Es ist ein weiterer Baustein, mit dem sich bequem die Opferrolle der Verfemten fortschreiben lässt.

Und eine Gelegenheit zur Selbstinszenierung. Vor einer Woche forderte der DVU-Landesvorsitzende von Brandenburg, Axel Hesselbarth, vom brandenburgischen Innenminister Alwin Ziel (SPD) eine Sonderkommission Wahlterror. Natürlich hat der dem Begehr der Rechtsextremen nicht nachgegeben. Aus demokratischer Entschlossenheit. Und weil das Herz seines Dienstherren Manfred Stolpe antifaschistisch schlägt, seit die Möglichkeit besteht, dass die DVU seine absolute Mehrheit ins Wanken bringen könnte?

Die Polizei im Süden Brandenburgs, jener Region, wo die DVU am intensivsten die politische Landschaft aufmischt, bleibt gelassen. 50 von 70 Anzeigen wegen Beschädigung von Wahlplakaten erstattete die DVU, teilt sie mit. Man würde sie in aller Sorgfalt bearbeiten, verspricht sie. Und gegen die 30 tatverdächtigen Jugendlichen ermitteln, die sich an den radikalen Botschaften der DVU-Wahlplakate vergangen haben. Aber verwundert über die zunehmende Gewalt gegen DVU-Wahlplakate ist man in der Polizeipressestelle Cottbus keineswegs. „Fahren Sie über die Dörfer, dann sehen Sie an jedem Laternenpfahl ein DVU-Plakat“, weiß Pressesprecher Berndt Fleischer. Da kann dann schon viel passieren.

Eberhard Seidel