Eine Wundertüte für alle Freunde von Schrägem und Sex

■ Das 6. Filmfest Oldenburg zeigt von Mittwoch bis Sonntag Filme im Spektrum zwischen Steven Soderbergh und Harry Kümel

In Bremen hat ja nach einigen verunglückten Versuchen niemand es fertiggebracht, kontinuierlich ein Filmfest zu organisieren. Da sind die Oldenburger glücklicher dran, denn bei ihnen gab es zwei Torstens, die so verrückt waren, in Eigenregie (und auf eigenes Risiko) ein kleines Kinofestival in ihrer Stadt zu veranstalten. Die ersten Jahre waren schwer, aber inzwischen wird schon das 6. Internationale Filmfest Oldenburg veranstaltet, und von den beiden Gründern ist Torsten Neumann noch als einer der Veranstalter dabeigeblieben. Sein Filmgeschmack prägt auch immer noch das Programm: Dem amerikanischen Kino wurde wieder sehr viel Platz eingeräumt (fast die Hälfte der gut 40 gezeigten Filme kommen aus USA), und Filmkunst, die eventuell etwas schwieriger sein könnte, sucht man auf dem Oldenburger Filmfest vergebens. Aber darauf haben sich ja schon andere Filmfeste, wie etwa das in Braunschweig, spezialisiert, und auch knapp neben dem Mainstream gibt es schöne Entdeckungen zu machen.

Inzwischen trägt auch schon frühere guten Zusammenarbeit Früchte: Der charismatische Schauspieler Matthew Modine war vor zwei Jahren beim Filmfest zu Gast, und es hat ihm wohl so gut gefallen, dass er mit der Familien/Gangstergeschichte „If...Dog...Rabbit“ jetzt hier auch seinen Debütfilm als Regisseur vorstellt.

Die Gästeliste ist auch sonst sehr beeindruckend in diesem Jahr (ob auch alle wirklich kommen, ist natürlich eine andere Frage): Kai Wiesinger und der Regisseur Roland Suso Richter stellen ihren Film „Nichts als die Wahrheit“ vor, Tim Roth und Guiseppe Tornatore (“Cinema Paradiso“) werden anlässlich der Galapremiere ihres monumentalen „Die Legende vom Ozeanpianisten“ erwartet, und der bei Liveauftritten sehr unterhaltsame Peter Lohmeyer reist mit dem Film „Der Elefant in meinem Bett“ an. Die italienische Jungdiva Asia Argento, die sowohl als Schauspielerin (im Film ihres Papas Dario Argenti „Phantom Of the Opera“ und in Abel Ferraras grausam schlechten „New Rose Hotel“) als auch als Co-Regiesseurin von „De Generazione“ in Oldenburg präsent ist, spielt gar zur „Filmfestparty im Schwan“ mit ihrer Rockband zu Tanze auf.

Beglückwünschen muss man die Veranstalter des Filmfestes dafür, dass sie sich diesmal wirklich etwas trauen, denn Blicke in die Schmuddel-ecke des Filmgeschäfts sind bei Filmfestivals immer noch verpönt. In der Reihe „Close up on Love“ werden drei in den USA hochgerühmte Dokumentarfilme gezeigt, die die Pornoindustrie untersuchen: In „The Girl next Door“ zeichnet die Filmemacherin Christine Fugate ein Portrait der Pornodarstellerin Stacy Valentine, in „Wadd – The Life & Times of John C.Holmes“ beschreibt Cass Paley die Karriere und das schlimme Ende des legendärsten männlichen Stars dieser Branche, und in „Rate X, a Journey through Porn“ bietet Dag Yngvesson eine umfassende Analyse dieser Industrie im San Fernando Valley, dem Hollywood des „adult films“.

Die Retrospektive ist dem obskuren Belgier Harry Kümel gewidmet, dessen Filme mit Titeln wie „Daughters of Darkness“, „Malpertuis“ oder „Het verloren Paradijis“ schon etwas von der mababeren, surrealen Atmosphäre ahnen lassen, die seine Filme in den späten 60er und 70er Jahren auszeichenete. Er drehte elegante Horrorfilme, Alpträume von Sex und Gewalt oder „bittere Lieder von der Liebe und dem Tod“ (so ein Kritiker), die damals nur einige eingeweihte Cineasten begeisterten. Ich selber freue mich am meisten auf den neuen Steven Soderbergh-Film „The Limey“ mit Terence Stamp, aber die meisten der etwa 40 Filme sind von unbekannten Regisseuren mit unbekannten Schauspielern (amerikanischen oder deutschen) realisiert; Oldenburg ist also ein Wundertütenfestival im besten Sinne des Wortes. Wilfried Hippen

Das 6. int. Filmfest Oldenburg wird am Mittwoch Abend um 19.30 Uhr mit dem deutschen Spielfilm „Nichts als die Wahrheit“ eröffnet und endet Sonntag Nacht mit „Die Legende vom Ozeanpianisten“ von Guiseppe Tornatore