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Dick und Doof spielen in der Viererkette

■ Nach dem 0:3 gegen die Türkei glaubt Nordirlands Trainer nicht mehr an einen Sieg der Seinen – nicht mal gegen den DFB

Belfast (taz) – Beim Training der nordirischen Fußball-Nationalelf in Süd-Belfast kam am vergangenen Donnerstag das Gespräch kurz auf Deutschland, den Gegner am kommenden Mittwoch. „Und: Oliver fit?“, fragte Trainer Lawrie McMenemy. Oliver Bierhoff, der deutsche Mannschaftskapitän? „Ja, wer sonst?“, rief McMenemy, „etwa Oliver Hardy, der Dicke von Dick und Doof?“ Zwei Tage später war McMenemy nicht mehr so lustig. Da hatte man nämlich den Eindruck, Stan Laurel, der Doofe aus der Filmkomödie „Dick und Doof“, spiele bei ihm in der Abwehr.

Drei Tore innerhalb von fünf Spielminuten kassierte Nordirland am Samstag in Belfast im Europameisterschafts-Qualifikationsspiel gegen die Türkei. Dass es eine Abwehr schafft, in so kurzer Zeit dreimal so komplett falsch positioniert zu sein, machte sprachlos. Alle drei Tore erzielte Arif Erdem, eines direkt vor, die anderen unmittelbar nach der Halbzeit – alle dreimal tauchte er unbewacht vor dem hilflosen Torwart Maik Taylor auf.

Mit dem 3:0-Sieg verstärkte die Türkei die Aussicht, dass ihre letzte Partie in der Gruppe 3, am 9. Oktober in München gegen Deutschland, zum Endspiel um den ersten Platz und die direkte Qualifikation wird. Die Vorstellung der Türken in Belfast war nicht mehr als solide, doch die alltägliche Routine, mit der sie das Spiel handhabten, war auch beeindruckend: Sehr erwachsen trat hier eine Elf auf, die für ihre Auswärtsschwäche notorisch verschrien war. „Wir haben über 90 Minuten nicht gut, aber in kurzen Momenten clever gespielt“, sagte Trainer Mustafa Denizli. Die meiste Zeit verbrachten die Seinen mit sicheren Querpässen, angereichert mit wenigen, aber astreinen Kontern. Der wendige Erdem von Galatasaray Istanbul, bis dato vor allem als Zuarbeiter seines prominenten Sturmpartners Hakan Sükür bekannt, erwies sich dabei überraschend als idealer Vollstrecker.

Über das Ziel hinaus schoss Erdem nur nach dem Spiel, als er seine Tore den Opfern des Erdbebens in der Türkei widmete und anfügte: „Heute haben wir ein Erdbeben in Belfast angerichtet.“ War nur ein dummer Spruch, schob er jedoch schnell hinterher. Seine Mannschaft lebe derzeit „mit zwei Gehirnhälften“, sagte Trainer Denizli, „die eine konzentriert sich auf den Fußball, die andere beschäftigt sich mit dem Beben.“ Bis auf Auswechselspieler Ünal Alpugan (Schalke 04) arbeiten alle bei Vereinen im Katastrophengebiet um Istanbul. „Auch wenn Gott sei dank keine direkten Verwandten betroffen sind, so hat jeder Freunde oder Bekannte, die nicht mehr da sind“, sagte Denizli.

Denizlis Idee, dass die Nordiren am Mittwoch in Dortmund gegen die Deutschen punkten und den Türken so einen Vorteil im Streit um den Gruppensieg geben könnten, verwarf der Kollege McMenemy gleich wieder: „Ich erwarte sicher keinen Sieg – bloß, dass es ein bisschen schwieriger wird, uns zu schlagen.“ Es ist kein Wunder, dass McMenemys Team nur fünf Punkte aus den bisherigen sechs Qualifikationsspielen gewonnen hat. In Nordirland gibt es keine Profiliga, und in England sowie Schottland kaum ein Dutzend nordirische Profis bei Erstligavereinen. „Im Wind und Regen der zweiten und dritte Liga“, sagt McMenemy, müsse er nach Kandidaten fahnden.

Einer, Michael Hughes vom englischen Erstligisten FC Wimbledon, kann was mit dem Ball anfangen, auch wenn der offensive Mittelfeldspieler das am Samstag nur zaghaft andeutete. Aber zu wenige seiner Mitspieler können was mit seinen Zuspielen anfangen. „Du brauchst nur ein Tor schießen, um uns zu besiegen“, sagt McMenemy, „wir schießen nämlich nie eines.“ Grob überschlagen stimmt das: Ganze drei Tore, ein halbes pro Qualifikationsspiel, stehen zu Buche. Und dass der von McMenemy unverdrossen ins Rennen geschickte 34jährige Ein-Mann-Sturm namens Iain Dowie noch mal trifft, kann man eigentlich nicht glauben, wenn man ihm zusieht. Bis Samstag hat sich McMenemy gerne mit der halbwegs soliden Defensivabteilung getröstet, aber jetzt? Vielleicht kommt ja irgendwie, irgendwoher unverhoffte Verstärkung. Passable Kicker mit halbwegs irischen Vorfahren aufgepasst: „Ruft uns einfach an, und wir geben euch eine Chance“, sagt McMenemy. Ronald Reng

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