Psychische Beihilfe zum Terrorismus?

Weiterer Staatsschutzprozess gegen türkischen Links-Aktivisten beginnt  ■ Von Kai von Appen

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) ist erneut Schauplatz eines Prozesses gegen die türkisch-kurdische „Revolutionäre Volksbefreiungsfront/Partei“ (DHKP-C). Am morgigen Mittwoch beginnt das Verfahren gegen den ehemaligen Pressesprecher und Journalisten Mesut Demirel wegen „psychischer Beihilfe zu einer versuchten Tötung“ sowie „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ (129a StGB). Zeitgleich verhandelt der OLG-Staatsschutzsenat unter Richter Albrecht Mentz bereits seit Februar gegen den mutmaßlichen Deutschlandbeauftragten der DHKP-C, Ilhan Yelkovan, wegen Mordes und „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“.

Demirel verbrachte wegen seiner Aktivitäten mehrere Jahre in türkischen Knästen. Bei einem Briefbombenanschlag verlor er beide Hände und ein Auge, bevor er in Deutschland Asyl beantragte. Trotz seiner schweren Behinderung war er in Deutschland für die DHKP-C als Sprecher tätig. Diese ist eine Abspaltung der verbotenen „Devrimci Sol“ („Revolutionäre Linke“) um Dursum Karatas (Karatas-Flügel).

Die Bundesanwaltschaft (BAW) bezichtigt Demirel „der Mittäterschaft“ an 13 Brandanschlägen in Köln zwischen 1995 und 1996, obwohl es nach Angaben von Demirels Anwalt Josef Gräßle-Münscher „keine Hinweise“ gibt, dass dieser sich seinerzeit überhaupt in Köln aufhielt. Genauso dürftig ist der in der Anklage enthaltene Tötungsvorwurf. Die BAW wirft Demirel zwar nicht vor, am 5. September 1997 direkt an einem Überfall von DHKP-C-Leuten auf den Dev-Sol-Aktivisten Ertan E. in der Altonaer Thedestraße beteiligt gewesen zu sein oder nur davon gewusst zu haben. Seine Funktion in der DHKP-C muss dazu herhalten, um ihn nun der „psychischen Beihilfe zur Tötung“ anzuklagen. Und das, obwohl der damalige Schütze Ali Ekti nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde. „Die Ankläger versuchen mit dem klassischen Terrorismusvorwurf, revolutionäre Gesinnung zu bestrafen“, beklagt Gräßle-Münscher, „psychische Beihilfe ist das jämmerlichste Stück Justiz, wenn man nichts in der Hand hat.“

„Als total verhärtet“ beschreibt der Bremer Rechtsanwalt Eberhard Schultz mittlerweile das Klima in dem Parallel-Verfahren gegen seinen Mandanten Ilhan Yelkovan, das seit Februar vor dem Mentz-Senat läuft. Yelkovan wird von der BAW vorgeworfen, am 24. April 1997 am Überfall auf den Besitzer des „Ego Grills“ in Wilhelmsburg beteiligt gewesen zu sein, um eine „sexistische Anmache“ gegenüber einer Genossin zu rächen. Bei der Aktion war der Imbiss-Besitzer erschossen worden.

Yelkovan war noch in der Nacht der Tat verhaftet worden. Da es keine Augenzeugen gibt und sich an Yelkovans Kleidung keinerlei Schmauchspuren befanden, wurde das Verfahren gegen ihn wegen vorsätzlicher Tötung vor dem Landgericht Hamburg eingestellt. Erst 1998 wurde das Verfahren wieder aufgenommen, nachdem der BAW Tonbandaufnahmen einer Observation des Verfassungsschutzes übergeben worden waren. Auf denen befinden sich nach Ansicht der BAW in verschlüsselter Form Hinweise, dass Yelkovan die tödlichen Schüsse abgegeben habe.

Seither wird mit harten Bandagen gekämpft. Obwohl es nach Angaben der Verteidigung weiterhin keine konkreten Tatbeweise gibt, schlug Richter Albrecht Mentz vor der Sommerpause sogar einen Deal vor: Wenn sich der Angeklagte schuldig bekenne, würde der Staatsschutzsenat auf „einfach lebenslänglich“ (15 Jahre) befinden, andernfalls müsse Yelkovan wegen der schweren Tat mit über 20 Jahren Knast rechnen. Yelkovan lehnte den Deal ab. Schultz: „Mein Mandant hat von Anfang an seine Unschuld beteuert.“