In der SPD hat man noch Träume

■  Trotz der Wahlniederlagen in Brandenburg und im Saarland wollen die Sozialdemokraten in Berlin noch immer stärkste Kraft werden. Quadriga setzt weiter auf Schröder-Kurs. Diepgen warnt Stolpe vor Koalition mit der PDS

Die Berliner SPD bot gestern gleich ihre ganze Führungsquadriga auf, um die Wahlniederlagen der Sozialdemokraten in Brandenburg und im Saarland zu kommentieren. Die SPD-Führungsspitze aus Walter Momper, Klaus Böger, Annette Fugmann-Heesing und Peter Strieder appellierte an die Wähler: „Die deutsche Hauptstadt braucht am 10. Oktober eine hohe Wahlbeteiligung.“ Der Einzug der rechtsextremen DVU sei „nicht zuletzt auch der außerordentlich geringen Wahlbeteiligung geschuldet“. Wer zu Hause bleibe, helfe den „rechten Rattenfängern“.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wies dagegen der Brandenburger SPD eine Mitschuld am Erstarken der DVU zu. Landespolitische Fehler hätten die Rechten stark gemacht.

Den Versuch, der SPD den DVU-Wahlerfolg in die Schuhe zu schieben, bezeichneten die Grünen gestern als „dreist“, vor allem nach der „ausländerfeindlichen Aufkleber-Aktion der Kreuzberger CDU“. Landesvorstandssprecher Andreas Schulze kritisierte auch, die Brandenburger SPD habe zu lange versucht, den Rechtsextremismus „schön- und glattzureden“. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama: „Das Kleinreden der kahl rasierten Dummheit in Brandenburg hat sich jetzt gerächt.“ Die Wähler müssten jetzt mit politischer Bildungsarbeit für demokratische Ideen zurückgewonnen werden. Der Türkische Bund bezeichnete den Erfolg der DVU als „Warnung an alle Demokraten“.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen wertete die Wahlniederlagen der SPD gestern als „klares Misstrauensvotum“ gegen Rot-Grün. Er warnte die Brandenburger SPD davor, mit der PDS zu koalieren. Dies wäre eine Belastung für das Verhältnis zwischen Berlin und Brandenburg und würde die Zusammenarbeit in allen Bereichen erschweren.

Die Berliner SPD hält dennoch an der Unterstützung des Schröder-Kurses fest. Es gebe „keine Alternative“ zum Kurs der Bundesregierung, erklärte die Quadriga. Die SPD werde noch stärker als bisher das Gespräch mit der Bevölkerung suchen, um die Notwendigkeit des Sparpakets und der Rentenreform zu verdeutlichen. Trotz Umfragen, die die SPD derzeit bei 20 Prozent sehen, erklärte die Quadriga, die SPD müsse wieder führende politische Kraft in Berlin werden. Strieder hatte am Wahlabend erklärt, er rechne mit einer „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ unter den Berliner Genossen.

Die Berliner Grünen hielten gestern ihr Wahlmotto „Berlin ist anders“ hoch. Vorstandschef Andreas Schulze erklärte, sein Landesverband habe ein starkes eigenes Profil und sei daher stabil gegenüber bundespolitischen Einflüssen. Ganz frei sei man davon aber nicht. Das schlechte Ergebnis der Grünen in Brandenburg führte er auf deren strukturelle Schwäche zurück. Die habe es schwer gemacht, neben der Bundespolitik mit eigenen politischen Akzenten im Wahlkampf zu bestehen.

Die PDS interpretierte das Brandenburger Ergebnis als „deutliches Votum für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit“. Dies zeige auch die starke Wählerwanderung von der SPD zur PDS.

Dorothee Winden

Interview Seite 20