Hart an der Grenze zur Desinformationskampagne

■ UNO deckt den Mantel des Schweigens über die mutmaßlichen Chemiewaffenangriffe

Die mysteriösen Bombenangriffe auf Lainya wurden erstmals am 30. Juli von der südsudanesischen Guerillabewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) und der im SPLA-Gebiet tätigen norwegischen Hilfsorganisation NPA (Norwegische Volkshilfe) der internationalen Öffentlichkeit gemeldet. Aber alle seitherigen Versuche zur Aufklärung sind bisher im Sande verlaufen.

Fünf Tage nach dem ersten Luftangriff vom 21. Juli passierte ein Team des UNO-Welternährungsprogrammes (WFP) den Ort Lainya. „Sie stiegen kurz an einer Straßensperre der SPLA aus“, sagt gegenüber der taz Dr. Sharad Sapra, der Koordinator der UNO-Schirmorganisation für humanitäre Hilfe im Sudan „Operation Lifeline Sudan“ (OLS). Dann, so Sapra, verspürten sie ein Brennen in Augen und Nase und mussten sich später stark erbrechen. Am nächsten Tag wurden sie ausgeflogen. „Unmittelbar nachdem wir von dem Vorfall erfahren haben, wurden alle OLS-Mitarbeiter aus der Region evakuiert“, so Sapra weiter. Sie sind bis heute nicht zurückgekehrt.

Am 29. Juli traf ein OLS-Team in Yei ein, rund 60 Kilometer südlich von Lainya. Es kehrte am nächsten Tag nach Uganda zurück. Am 5. August wurde ein zweites OLS-Team nach Yei geflogen. Es fuhr bis nach Kenyi, mehr als 30 Kilometer südlich von Lainya, und nahm dort Blut- und Urinproben von zehn Bombenopfern.

Nun begann die OLS eine Öffentlichkeitsarbeit, die hart an der Grenze zur Desinformationskampagne liegt. Am 9. August sagte Shapra – der einzige, der sich gegenüber der Presse äußern wird – zur taz: „Wir haben keine der von der SPLA behaupteten Symptome gefunden.“ Die OLS-Mitarbeiter waren allerdings auch nicht nach Lainya gefahren. In einem späteren Interview sagte Sapra, seine Aussage habe sich auf eine frühe Pressemitteilung bezogen, in der von Missgeburten und Erbrechen von Blut die Rede war.

Warum sind die OLS-Teams nicht nach Lainya gefahren? Sapra: „Wir können nicht in die Gegend, bis wir wissen, was es ist. Wir haben keine Schutzausrüstung.“

Am 23. August sagte Sapra zu den Blutproben, die die OLS 30 Kilometer von Lainya entfernt entnommen hatte: „In den Blutproben wurden keine Anzeichen für verbotene Substanzen gefunden.“ Die Ergebnisse seien ans UN-Hauptquartier in Genf weitergegeben worden, wo über ihre Veröffentlichung entschieden werde. Am 4. September präzisierte Sapra gegenüber der taz, seine Aussage vom 24. habe sich auf „vorläufige Ergebnisse“ bezogen.

Die Aufklärung der Angriffe auf Lainya und Kaya scheint daran zu scheitern, dass dann nach dem Willen der sudanesischen Regierung auch der US-Luftangriff auf die Medikamentenfabrik Al-Shifa in Khartum im August 1998 aufgeklärt werden müsste – ein Angriff, der damals mit der Vermutung begründet wurde, in Al-Shifa würden Komponenten für Chemiewaffen produziert. Unabhängige Untersuchungsgruppen – eine davon aus den USA – sagen inzwischen, es ließen sich für diese Behauptung keine Anzeichen finden. Die USA haben aber gegen eine eventuelle UN-Untersuchung des Angriffs auf Al-Shifa ihr Veto im UNO-Sicherheitsrat angedroht. Eine UNO-Mitarbeiterin, die anonym bleiben will, sagt: „Die Entscheidung, was mit Lainya und Kaya passiert, ist inzwischen in der Hand von New York.“

Neben der UNO haben ein Malteser-Ärzteteam, eine schwedische und eine US-amerikanische Gruppe in Lainya Bodenproben entnommen. Die Laborergebnisse wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Peter Böhm