„Ich möchte Afrika als wahren Partner sehen“

■ Uschi Eid, grüne Staatssekretärin, erklärt Deutschlands Politik gegenüber Afrika

taz: Was sind die Prioritäten Ihres Ministeriums in Afrika?

Uschi Eid: Das Hauptziel ist die Armutsbekämpfung, aber das schließt viele Aspekte mit ein. Von 27 großen Konflikten auf der Welt spielen sich 11 in Afrika ab, sodass Konfliktverhütung eine unserer Hauptsorgen ist. Wir wollen, dass unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit der Bekämpfung von Konfliktursachen angepasst wird, und gleichzeitig Mechanismen zur friedlichen Konfliktlösung stärken. Die zweite Hauptsorge ist die Ernährungssicherheit. Es geht um den Stopp der Wüstenausbreitung und der Bodenerosion und darum, dass die afrikanischen Länder selber Programme gegen Wüstenbildung erstellen. Die dritte Hauptsorge ist die Demokratisierung. Das heißt nicht notwendigerweise, dieselbe Gesellschaft oder dieselben Verfassungen einzurichten wie in Westeuropa, sondern Strukturen zu haben, die eine komplette Beteiligung der Gesellschaft ermöglichen. Sicher hat es keinen Sinn, in Ländern Geld zu investieren, wo die Bedingungen die Entwicklung nicht fördern – schlechtes Management, Korruption, Klientelismus oder zu hohe Rüstungsausgaben. In Burundi zum Beispiel werden 50 Prozent des Staatshaushaltes für Rüstung ausgegeben, und nur drei Prozent fließen ins Rechtssystem.

Welche Länder werden am meisten gefördert und warum?

Mosambik ist ein Land, das seine Demokratisierung wirklich voranbringt. Nach 17 Jahren des inneren Konflikts sitzen die beiden Konfliktparteien im Parlament und versuchen, sich zu versöhnen. Das Land hat 83 Millionen Mark Hilfe für zwei Jahre zugesagt bekommen. Ein zweites Beispiel ist Mali. Nach vielen Jahren der Diktatur stärkt sich das Land dank einer wirklichen Demokratie.

Eines der dringendsten Probleme in Afrika ist der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea. Wie beurteilen Sie es?

Dies ist augenblicklich der irrationalste Konflikt zwischen zwei Regierungen, die beide in den 80er Jahren gegen die schlimmsten Diktatoren des afrikanischen Kontinents gekämpft haben. Sie vergaßen, ihre bilateralen Probleme zu lösen. Vielleicht dachten sie, sie seien gute Freunde und könnten alles per Telefon regeln. Aber die Dinge hatten sich weiterentwickelt, und es war nicht mehr möglich, das Problem auf einfache Weise zu lösen. Der größte Fehler war, die Dinge geheim zu halten. Ihre eigenen Völker wurden nicht informiert, die internationale Gemeinschaft auch nicht.

Es ist wichtig, dass Äthiopiens Präsident und Eritreas Premierminister sich treffen und miteinander sprechen. Ich kann nicht hinnehmen, dass 10.000 Menschen an dieser Grenze getötet werden oder 50.000 Eritreer deportiert werden.

Welche Lösung sehen Sie?

Ich habe keine Lösung. Sie müssen sich untereinander verständigen. Mein Vorschlag ist ein Prozess analog zu dem zwischen Palästinensern und Israelis. Wir müssen unsere ganze Fantasie und Kreativität einsetzen, um die Führer zusammenzubringen und ihnen zu helfen, diesen Krieg zu stoppen. Und dann sehen, wie man neue Grenzen ziehen kann.

Will Europa, Deutschland insbesondere, Afrika wirklich entwickeln?

Erst mal müssen die afrikanischen Politiker Afrika selber entwickeln wollen. Und wenn ihre Kräfte nicht ausreichen, dann kann man ihnen helfen. Aber wenn der Wille nicht vorhanden ist ... Ich bezweifle, dass manche afrikanischen Führer an ihre Völker denken. Ich möchte Afrika als wahren Partner sehen und nicht gegenüber Afrika eine karitative Haltung haben. Aber sie müssen zuerst ihre eigene Arbeit machen.

Interview:

Pierre-Olivier Richard