Gentech-Futter bekommt Firmen schlecht

Immer mehr Länder fordern Kennzeichnung genmanipulierter Nahrung – und setzen Bauern und Firmen unter Druck, die auf Gentechnik setzen. Deutsche Bank warnt vor Investment in Gentech-Saat  ■   Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Der Protest aus Frankreich war gewohnt drastisch. „Wir wissen genau, dass gentechnisch veränderte Organismen Teile der Umwelt zerstören können“, erklärte Präsident Jacques Chirac am Wochenende im französichen Fernsehen. Es gebe keine Sicherheit, dass Gentech-Nahrung gesundheitsverträglich sei. Jedes Land müsse daher das Recht haben, die Einfuhr zu verweigern. „Wir Franzosen werden in Seattle nachdrücklich auf dieser Position bestehen“, sagte Chirac kämpferisch. Ende November tagt in der US-Stadt Seattle der Minister-Gipfel der Welthandelsorganisation (WTO), um den freien Welthandel von Agrarprodukten vorzubereiten.

Frankreich, wo erboste Bauern schon mal aus Ärger über die USA die McDonald's-Filalen stürmen, steht längst nicht allein mit seiner lautstarken Ablehnung. Weltweit wächst der Druck auf die Hersteller genmanipulierten Saatguts wie Monsanto, Novartis und Agrevo. Erst vor zwei Wochen kündigte Japan eine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Produkte ab 2001 an, Australien und Neuseeland beschlossen Anfang August eine Kennzeichnungspflicht – gültig wohl ab Ende 2000. Südkoreas Parlament beschloss im Juli ein Kennzeichnungsgesetz – die Regierung klärt nun die Details. Selbst in Südafrika und Thailand arbeiten die Regierungen an einer Richtlinie. In Brasilien scheiterte Saatguthersteller Monsanto Mitte August gar am Gericht bei seinem Versuch, Gensoja-Saatgut zu verkaufen – der Richter verlangt zuvor eine Umweltstudie.

Die USA kommen kaum noch hinterher, den Regierungen zu drohen und sie des Verstosses gegen den freien Welthandel zu bezichtigen. Nach dortiger Lesart bedeutet die Kennzeichnungspflicht eine Stigmatisierung der Genprodukte, die nur die Ängste der Verbraucher nähre. Nicht zu unrecht. In Europa führte die Kennzeichnungsdebatte dazu, dass immer mehr Unternehmen und Supermarktketten auf den Verkauf gentechnisch veränderter Eigenmarken verzichten, um nicht das Misstrauen der Verbraucher zu riskieren. Denn Umweltverbände wie Greenpeace und Friends of the Earth mobilisierten die Kunden direkt in den Supermärkten. Vor allem in Großbritannien, wo sich auch Prinz Charles gegen Gen-Essen ausspricht, gerieten die Supermärkte unter Druck, sich gegen Gentechnik zu bekennen. Auch in Deutschland versprechen Ketten wie Edeka, Tengelmann und Rewe, ihre Eigenprodukte nur noch gentechnikfrei anzubieten.

Das „wachsende Negativimage“ bewog die Deutsche Bank, mehrfach vor dem Investment in Gentechnikfirmen für Saatgut zu warnen. „Gentechnisch veränderte Organismen sind tot“, überschrieb die Bank im Juli ihren Portfoliotipp. „Wir stellen fest, dass Monsanto 1,5 Millionen US-Dollar ausgegeben hat, um englische Verbraucher zu überzeugen – ohne Erfolg“, schreiben die Bänker.

Pionier der sogenannten grünen Gentechnik sind die USA. Jede zweite angebaute Sojabohne und Baumwollfaser sowie ein Drittel des Maises sind dort manipuliert – doch die Stimmung kippt. Umweltschützer sammelten bereits eine halbe Million Unterschriften für eine Kennzeichnung. Und Ende Juli beschloss schließlich der erste Nahrungsmittelhersteller auf Gentechnik zu verzichten: Gerber, der größte Babykostproduzent der USA, hatte bereits genmanipuliertes Getreide für seine Flocken verwandt, will nun aber verzichten – aus Angst vor den Verbrauchern. Bemerkenswert: Gerber ist eine Tochter des Schweizer Konzerns Novartis.

Immer mehr amerikanische Farmer fühlen sich hintergangen von den Saatgutfirmen, die ihnen blühende Erträge und geringere Pestizidkosten versprachen. Nicht nur, dass der Bedarf an Pestiziden konstant blieb und die Erträge zuweilen sogar um bis zu acht Prozent fielen. Die genmanipulierte Ernte gefährdet den Absatz im Ausland. Japan etwa importierte vergangenes Jahr 86 Prozent seiner Sojabohnen und 96 Prozent seines Maises aus den USA. Inzwischen beginnen japanische Importeure aber auf andere Länder auszuweichen, die gentechnikfreie Ware garantieren können. Als Reaktion beginnt der US-Agrarkonzern AMD seine Lieferanten aufzufordern, genmanipulierte und normale Ware getrennt anzuliefern, um dieses Problem zu umgehen – ein großes logistisches Problem, das die Ware deutlich verteuert. Dies ist der Grund, warum die USA über unfairen Wettbewerb klagen. Nur werden sie mit dieser Haltung auf dem WTO-Gipfel recht einsam dastehen.