Den Parteien traut man nicht

■ Wahlanalyse: Junge meiden SPD, weil sie ihr nicht glauben, dass sie Joblosigkeit behebt

„Genossen, hört die Signale!“ – Michael Fuchs, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, über die Notwendigkeit eines Politikwechsels

Die Wahlen im Saarland und in Brandenburg wurden von der SPD in erster Linie im Bund verloren. Das schreibt die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Analyse der Urnengänge:

„Seit Monaten sinkt die Zufriedenheit mit den Leistungen der Bundesregierung. In beiden Ländern wurde die Arbeit der SPD-Landesregierungen jeweils sehr viel besser beurteilt als die Leistungen der Bundesregierung: In Brandenburg kommt die Landesregierung auf einer Plus-Fünf/Minus-Fünf-Skala auf einen Durchschnittswert von plus 0,9, die Arbeit der Bundesregierung lag demgegenüber im Minusbereich (minus 0,6). Im Saarland erreichte die Landesregierung ebenfalls plus 0,9, die Bundesregierung wird lediglich mit minus 0,4 beurteilt. Dieser negative Bundestrend für die SPD war so stark, dass er die auch im Vergleich zu ihren Herausforderern positive Bewertung der Amtsinhaber überlagerte. Im Saarland wünschten sich 48 Prozent Reinhard Klimmt als Ministerpräsidenten (33 Peter Müller) und in Brandenburg sogar 58 Prozent Manfred Stolpe (13 Jörg Schönbohm).

Im Saarland, wo die Wahlbeteiligung traditionell sehr hoch ist und seit 1965 immer über 80 Prozent lag, fiel sie auf 68,7 Prozent. Am meisten litt darunter die SPD, die in ihrer Anhängerschaft massive Mobilisierungsprobleme hatte. Sie verlor hier die Macht an die CDU, obwohl sie nach wie vor über das größere Wählerreservoir verfügt.

Die SPD musste überdurchschnittliche Einbußen bei den Arbeitern hinnehmen, dort vor allem bei den un- und angelernten (minus 10 Prozentpunkte) und bei den gewerkschaftlich nicht gebundenen Arbeitern. Sie verlor des weiteren besonders dramatisch bei den unter 30-jährigen Wählern (minus 13 Prozentpunkte), konnte sich jedoch bei den über 60-Jährigen entgegen dem Gesamttrend halten. Umgekehrt hat die CDU ihre stärksten Gewinne bei den Arbeitern und den jüngeren Wählern, während sie bei den über 60-Jährigen nur drei Prozentpunkte dazugewinnen konnte. Offenbar hat die Diskussion um die Rente der SPD nicht den Wahlsieg gekostet.

In Brandenburg sind ähnliche Veränderungsmuster wie im Saarland zu beobachten. Die Verluste fielen jedoch für die SPD noch dramatischer aus, da zum einen die Parteibindungen der Wähler in den neuen Ländern weniger stark ausgeprägt sind und deshalb Veränderungen dort immer deutlicher ausfallen. Zum anderen kamen in Brandenburg auch landespolitische Defizite der SPD hinzu. So verlor die SPD bei den unter 30-Jährigen 25 Prozentpunkte, das heißt die Hälfte ihrer Wähler von 1994. Bei den über 60-Jährigen hingegen hatte sie nur halb so hohe Verluste wie im Land insgesamt. Die CDU gewann umgekehrt besonders bei den Jungen und hatte nur geringe Gewinne bei den über 60-Jährigen, sodass sie jetzt in allen Altersgruppen auf ein fast identisches Wahlergebnis kommt.

In den einzelnen Berufsgruppen verlor die SPD nahezu gleichmäßig; besonders viel allerdings bei den Arbeitslosen (minus 22 Prozentpunkte). Hier werden auch die landespolitischen Defizite der SPD sichtbar. Der SPD trauten nur 22 Prozent der Wähler zu, neue Arbeitsplätze zu schaffen, damit lag sie nur knapp vor der CDU (19 Prozent). Der PDS (sieben Prozent) und der DVU (drei Prozent) wird so gut wie keine Kompetenz zugesprochen. Die größte Gruppe (26 Prozent) traute bei diesem Thema keiner Partei etwas zu.

In dieser unzureichenden Lösungskompetenz der Parteien liegt die Ursache sowohl für die niedrige Wahlbeteiligung als auch für das Abschneiden der extremen Rechten. Dabei hat die DVU bei den unter 30-Jährigen elf Prozent erreicht, bei den Männern in dieser Altersgruppe sogar 16 Prozent. Auch bei den Arbeitern ist die DVU mit acht Prozent überdurchschnittlich erfolgreich, ebenso wie bei den Arbeitslosen. Dieser Erfolg der DVU geht in erster Linie zu Lasten der SPD.

Die PDS, die ihr bislang bestes Ergebnis in Brandenburg erzielte, legte dabei ebenfalls fast in allen Gruppen zu, wobei sie sich mit acht Punkten bei den über 50-Jährigen besonders deutlich verbesserte. Mit 27 Prozent schnitt die PDS außerdem bei den Angestellten und Beamten sowie mit 29 Prozent bei den Arbeitslosen überdurchschnittlich gut ab. Ihre wichtigste Stütze sind aber nach wie vor die konfessionslosen Wähler, bei denen sie mit 31 Prozent klar zweitstärkste Partei ist.

„Die Wähler haben den Sack schlagen wollen, aber den Esel getroffen.“ – Wolfgang Klein, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag

Grüne und FDP hatten weder im Saarland noch in Brandenburg eine Chance, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. In beiden Ländern sind grüne Themen angesichts der besonders kritischen ökonomischen Lage aus der Sicht der Wähler nicht sonderlich dringend. Die FDP spielte weder als möglicher Koalitionspartner der CDU noch in der politischen Diskussion eine Rolle.

Nach Hessen hat die SPD mit dem Saarland unter vergleichbaren Umständen ein zweites Land an die CDU verloren, womit sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat weiter zu ihren Ungunsten verändern. Wie stark sich dort dieser Wahlsonntag auswirkt, wird sich erst zeigen, wenn klar ist, welche Koalition die SPD in Brandenburg eingehen wird.

Ginge es nach dem Willen der Mehrheit der brandenburgischen Wähler insgesamt, dann müsste es zu einer Koalition aus SPD und CDU kommen, aber auch die SPD-Anhänger geben einer Koalition mit der CDU klar den Vorzug. In Thüringen und noch stärker in Berlin wird sich die Entscheidung der SPD in dieser Frage unmittelbar auf das Ergebnis der dort anstehenden Wahlen auswirken.“