Rückkehr ohne Umarmung

Hamburgs SPD geht programmatisch auf Distanz zu Kanzler und Parteichef Schröder. Kritischer Leitantrag für Parteitag vorgelegt  ■ Von Sven-Michael Veit

Ob der Kanzler und Parteichef die Hamburger Genossen mit seiner Anwesenheit beehren wird, weiß Jörg Kuhbier „noch nicht definitiv“. Aber wenn Gerhard Schröder zum SPD-Landesparteitag am 9. Oktober käme, fände Hamburgs SPD-Chef „das schön“. Da könnte Gerhard Schröder doch gleich lustig mitdiskutieren auf der Veranstaltung, die „gewiß lebhafte Debatten erwarten läßt“.

Vor allem über den 30-seitigen Antrag des Hamburger Landesvorstandes „Innovation und soziale Gerechtigkeit“, den Kuhbier gestern vorstellte. In dem auch unter Mitwirkung von Bürgermeister Ortwin Runde enstandenen Konvolut stehe manches drin, was „beim Bundeskanzler nicht auf Begeisterung stoßen dürfte“, räumte Kuhbier ein. Zwar sei das „kein Abrücken“ von Schröder, aber „auch keine Umarmung“, was Hamburgs Genossen nach Zustimmung der Landesdelegierten auf dem Bundesparteitag im Dezember zur Abstimmung stellen wollen.

In den drei Hauptkapiteln „Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik“, „Zukunft der Arbeit“ und „Rolle des modernen Sozialstaates“ fordern sie unter anderem die „stärkere Beteiligung großer Privatvermögen an der Finanzierung staatlicher Aufgaben“, zum Beispiel durch Wiedereinführung der Vermögenssteuer, ein Festhalten an der Ökosteuer oder die Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung um mindestens 2,3 Prozent „noch in dieser Legislaturperiode“. Denn Politik sei „nicht durch den Markt ersetzbar“, und sozialdemokratische Politik schon gar nicht. Im Gegenteil müsse sie sich „deutlich von neoliberaler und konservativer Politik unterscheiden“.

Das sei kein Affront gegen den Kurs des Kanzlers und der rot-grünen Bundesregierung, beschwichtigte Kuhbier. Hamburgs SPD wolle lediglich einen „ergänzenden Beitrag liefern in der Diskussion“, die durch das Schröder/Blair-Papier des Kanzlers und des britischen Premierministers Anfang Juni entfacht worden war.

Dass dieses in seinen Grundaussagen in der Tat neoliberale Papier bei Hamburgs Sozialdemokraten nicht allzu gut ankommt, verklausulierte Kuhbier gestern treuherzig mit Aussagen wie, niemand in der Partei könne etwas gegen „eine Rückkehr auf den Boden sozialdemokratischer Aussagen“ haben. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer zum Beispiel „steht doch im Bonner Koalitionsvertrag“. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Genosse Gerd „damit prinzipielle Probleme haben kann, allenfalls taktische“.

Hamburgs Jusos begrüßten gestern „das vorsichtige Abrücken von dem Kurs der Bundesregierung“. Zwar sei das insgesamt zu „zaghaft“, kritisierte Vorstandssprecher Gernot Wolter. Er gehe aber davon aus, dass auf dem Parteitag in vier Wochen „noch erheblich um einen klareren Kurs der Partei gestritten werden wird“.