1999 war Mischa im Weltraum

■ Wahrheit-Doppelserie: Der Vorläufer von „Star Wars“

Wir haben Tonnen von Essay-Seiten gelesen über die aktuelle Episode des Star-Wars-Märchens, und es war ja durchaus kapitalismuskritisch, kinogeschichtlich, religionswissenschaftlich und sonstwie substantiiertes Zeug darunter. Aber niemand hat das Rührstück bisher zum Anlass genommen, um zu untersuchen, welche Bilder von Zukunft und Weltraum man Kindern eigentlich früher vermittelt hat.

Ein schönes Studienobjekt ist die Comic-Serie „Mischa im Weltraum“, die zwischen 1961 und 1965 und kurzzeitig noch einmal Anfang der 70er Jahre in Fix und Foxi erschien und im letzten Jahr in Teilen wiederveröffentlicht wurde. Heute üben diese Geschichten auch deshalb einen gewissen Reiz aus, weil sie im Jahr 1999 spielen.

Mischa ist ein 17-jähriger Raketenforscher-Gehilfe, die anderen Guten sind sein Chef, Professor Turbino (natürlich zerstreut), und dessen Enkelin Connie, die mit Mischa „Was sich liebt, das neckt sich“ spielt. Wie hat man sich 1961 unsere Zeit vorgestellt? Das bevorzugte Kommunikationsmittel sind Bildschirmtelefone, die aussehen wie Registrierkassen. Der Briefträger kommt mit dem Hubschrauber, dem neben der Rakete und dem Atom-Straßenkreuzer – mit Benzin betriebene Gefährte gelten als anachronistisch – beliebtestes Fortbewegungsmittel. Der Mond lässt sich in Mischas 1999 ungefähr so schnell erreichen wie in unserem 1999 das favorisierte Wochenendausflugsziel. Deshalb liegt es auch nahe, dass Raketen im Garten landen können.

Das All liegt also um die Ecke, aber die Gegend ist nur etwas für die Mutigen, für einen wie Mischa halt, der immer eine Feldflasche mit Milch dabei hat, um sich zu dopen. Schließlich ist der Weltraum ein Ort der Gefahr. Die geht allerdings nicht von extraterristischen Fieslingen aus, sondern von irdischen Schurken. Wenn sie auf der Erde gerade schlechte Karten haben, düsen sie zum nächsten Planeten. „Seit wir aus dem Gefängnis ausgebrochen sind, sind wir auf der Erde nicht mehr sicher. Wir müssen zu unseren Leuten auf die Venus fliehen“, sagt der Gangsterboss in „Konterbande auf der Venus“.

Futuristisch sehen die Kriminellen, mit denen es unser Teenager-Held aufnehmen muss, nicht aus. In dem Album „Robbie und die Weltraumpiraten“ wirken die im Titel erwähnten Halunken eher wie Seeräuber aus dem 19. Jahrhundert. „Mischa im Weltraum“ zielte offensichtlich nicht nur auf Jungen, die dem starken Helden nacheifern wollen, sondern auch auf weibliche Leser. „Robbie und die Weltraumpiraten“ nährt jedenfalls Träume von einer hausarbeitsfreien Zukunft (das vom Roboter Robbie gesteuerte Raumschiff verfügt über eine vollautomatisierte Großküche). Und geradezu feministisch wirkt eine 1964 erschienene Geschichte, in der Mischa auf einem von Amazonen regierten Planeten landet, wo er in ein „Heim für schwer erziehbare Männer“ eingesperrt wird.

Die Planeten, die Mischa kennen lernt, sind mal mehr, mal weniger aufregend. „Das feucht-warme Klima auf der Venus hat eine Vegetation hervorgebracht, wie wir sie auf der Erde nicht kennen. Alle Pflanzen sind größer, und natürlich auch die Tiere“, erfahren wir zum Beispiel im „Konterbande“-Album. Ameisen sind hier so groß wie die Köter bei uns.

Rolf Kauka, der geistige Vater von Fix, Foxi, Mischa und all den anderen, schien 1961 überzeugt davon zu sein, dass man 1999 die Welt und den Weltraum so erleben würde, wie es in seinen Heften beschrieben war. „Wer‘s nicht glaubt, was ich berichte, der darf mich in 38 Jahren einen Aufschneider nennen“, schrieb er 1961 in Fix und Foxi. Würden wir nie tun, wir sind ja nicht bösartig. Immerhin hat Kauka womöglich den Namen für eine sich später durchsetzende Kommunikationstechnik erfunden: Fix und Foxis Onkel trug den Namen Fax.

Réne Martens

PS: 1962 wurde in „Fix und Foxi“ der Text eines sogenannten Raketen-Flieger-Marsches abgedruckt, der damals auch auf Schallplatte erschien. Falls Sie diese Platte besitzen sollten und an der Unterstützung weiterer Forschungsarbeiten interessiert sind, wenden Sie sich bitte an die Wahrheit-Redaktion.