Ottmar raucht noch

■ Was tut ein Sozi, dessen Karriere plötzlich abgebrannt ist? Er gewöhnt sich etwas ab

Berlin (taz) – Ottmar Schreiner war gestern nicht erreichbar. Seitdem der Bundesgeschäftsführer der SPD nach seiner öffentlichen Demontage durch Gerhard Schröder am Wahlsonntag die TV-„Elefantenrunde“ schwänzte und nur einen Tag später zurücktrat, ist er kein Thema mehr für die Sozialdemokraten. Und so bleibt eine Frage unbeantwortet: Hört Ottmar Schreiner jetzt endlich mit dem Rauchen auf?

Bekanntlich hat die rot-grüne Regierung ja „alles, alles, wirklich alles umgesetzt, was im Wahlkampf versprochen wurde“: Das Kindergeld um 50 Mark erhöht, den Atomausstieg eingetütet und den Doppelpass durchgekämpft. Ein Versprechen aber ist immer noch nicht eingelöst: „Ich werde das Rauchen einstellen!“, hat Ottmar Schreiner vor und nach dem Wechsel in Gegenwart mehrerer politischer Korrespondenten seriöser Zeitungen mindestens fünfmal angekündigt. Und?

2. November 98: Der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine (Sie erinnern sich, oder?) lässt Schreiner durch den Parteivorstand zum Bundesgeschäftsführer ernennen.

15. Februar: Schreiners erste Personalentscheidung. Dörte Caspary sollte heute eigentlich Parteisprecherin werden. Die Kandidatin ist jung, eine Frau, aus dem Osten. Und ehemalige Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi. Darauf einen ganz tiefen Zug.

Anfang März: Im Fernsehen hat sich Schreiner auf „drei Millionen“ als Marke für die angestrebte Reduzierung der Arbeitslosigkeit festgelegt. Hinter den Kulissen nennt er auch einen Termin: „Nächsten Samstag“. Wird er mit dem Rauchen aufhören.

11. März: Lafontaine wird Privatmann. Rauchfreie Bude für Gerhard Schröder quasi. Schreiner darf trotzdem bleiben und ist selbst überrascht.

12. April: Sonderparteitag. Die SPD-Delegierten stimmen für den Kosovo-Krieg und Ottmar Schreiner. Der dankt den Delegierten: Die Regierung könne nur Erfolg haben, „wenn die Partei sie stutzt, äh, stützt“. Schröder hat verstanden.

August: Die SPD zieht ins Berliner Willy-Brandt-Haus. Schreiners Zigaretten sind „leider“ nicht am Rhein geblieben, sagt er. Und: „Ich bin bereit, einiges mitzutragen – aber nicht alles.“

Als einfacher Abgeordneter hat Schreiner jetzt viel mehr Zeit. Zum Rauchen? Nein, Ottmar Schreiner läuft jetzt. Er wird das Training intensivieren, um sich einen Traum zu erfüllen: einen Marathon schaffen. Dafür müsse man vor allem eins sein, heißt es anerkennend aus dem Willy-Brandt-Haus: leidensfähig.

Robin Alexander