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Vertrauen ins Senatorenwort

■ Bremer Parteienstreit um Fortbestand der Ökosiedlung an der Lesum / SiedlerInnen: „Wir kämpfen wieder“ / Finanzsenator Perschau will alternatives Dorf zerschlagen

Will Bremens Finanzsenator auf Einnahmen verzichten, weil ihm die Leute nicht passen, die das Geld aufbringen? Diesen Verdacht nährt Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU). Dessen Sprecher Stefan Luft äußerte sich kürzlich in einer Buten un Binnen-Sendung gegen eine mehrjährige Verlängerung des im Oktober auslaufenden Pachtvertrags zwischen der Stadt und den Ökodorf-SiedlerInnen in Bremen-Burg. „Diese Leute hatten fünf Jahre Zeit, sich nach Alternativen umzuschauen“, so Luft. Der Vertrag – für den die rund 26 BewohnerInnen liebevoll gestalteter Lehmhäuschen und ungewöhnlicher Bauwägen 30.000 Mark im Jahr aufbringen – sei als Übergangslösung gedacht gewesen. Auch solle sich „diese Wohnform nicht als dauerhafte Lösung entwickeln“. Ob eine möglicherweise einträglichere Nutzung des Geländes geplant sei, „ist mir zur Zeit nicht bekannt“, so allerdings der Finanzsprecher auf taz-Anfrage.

SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen dagegen will einen Anschlußpachtvertrag für die SiedlerInnen, die sich zu umweltverträglichem Bauen, geringem Strom- und Wasserverbrauch und „Wohnformen unterhalb des Standards von sozialem Wohnungsbau“ verpflichtet haben. Das „Modellprojekt“ solle wie der benachbarte, 25 Hektar große private Golfplatz behandelt werden, so Böhrnsen. „Es kann nicht angehen, dass unkonventionelles Wohnen eine geringere Daseinsberechtigung hat als ein Golfplatz“, argumentiert Böhrnsen für die Pacht bis 2006.

Ganz anders der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Helmut Pflugradt: Die Umsiedlung der Weidedammer aus dem ehemaligen Parzellengebiet am Bürgerpark nach Lesum sei ein befristeter Kompromiss gewesen, um die am Weidedamm vorgesehene Wohnbebauung nicht weiter zu verzögern. Die Folgekosten der Weidedammbesetzung beziffert er auf rund 8,5 Millionen Mark – die der Bremer Steuerzahler getragen habe.

„Der bremische Steuerzahler“ – vor allem NachbarInnen der Öko-SiedlerInnen in der idyllischen Lesumniederung –, sehen das lockerer. „Die Leute stören doch kein bisschen“, bestätigen EinwohnerInnen in Burg bereitwillig. „Die Nachbarn finden uns mittlerweile nett und kommen auch vorbei“, sagt auch Ökosiedler Klaus Möhle. Seit das Foto von seiner Schilfkläranlage in der Zeitung war, wollten zahlreiche Lesumer wissen, wie man so was baut. Und als jetzt bekannt wurde, dass der Finanzsenator die SiedlerInnen vertreiben will, griff sogar Rainer Tegtmeier vom Verein der Dunger Siedler, sonst mit Lampionfesten für Kinder nachbarschaftlich engagiert, zum Telefon, um den ÖkosiedlerInnen seine Unterstützung zu bekunden. „Ich finde, die Leute vom Verein Grüner Weidedamm sollen bleiben dürfen“, sagt er.

Ebenso sieht es auch Ortsamtsleiter Klaus-Dieter Kück. Der erinnert sich dabei noch genau daran, welche Angst vor der vermeintlichen „Teufelsgruppe von Junkies und Quertreibern vom Weidedamm“ herrschte, bevor die ersten Bauwägen eingetroffen waren. Doch mittlerweile sagt er: „An manchen Stellen ist das Dorf sehr schön geworden.“ Die einfache Lebensweise der Ökos sei zwar nicht sein persönlicher Stil. „Ich hab's lieber warm und kuschelig.“ Aber man habe sich konstruktiv zusammengetan. „Recht und Gesetz gilt hier für alle.“ Klagen aus der Bevölkerung gebe es keine. „Das wüsste ich.“ Würde der Senat ihn um Rat fragen, würde er antworten: „Diese Wohnform stört hier überhaupt nicht.“ Selbst in ein „angedachtes Freizeitgebiet“ am nahegelegenen Sandentnahme-See würden die Leute noch reinpassen.

Die SiedlerInnen, allen voran der ehemalige grüne Bürger-schaftsabgeordnete Klaus Möhle, verstehen die Hintergründe des Streits um ihre Vertragsverlängerung derweil noch nicht. „Perschau hat mir vor den Wahlen vor Zeugen die Verlängerung des Pachtvertrages versprochen“, sagt Möhle. „Ich vertraue auf das Wort eines Bremer Senators.“ Andere sagen: „Wir haben am Weidedamm gekämpft. Wir kämpfen wieder.“ ede

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