Kommentar
: Dreiste Heuchelei

■ Die CDU scheut den Kassensturz

Es kam, wie es kommen musste. Niemand konnte erwarten, dass sich die CDU noch vor der Wahl ernsthaft auf einen Sparhaushalt für das Jahr 2000 einlassen würde – geht die Partei doch seit Monaten mit den üppigsten Wahlversprechen hausieren, die beim besten Willen nicht zu finanzieren sind.

Eine kompromisslose Blockadehaltung freilich, das weiß die Union, stünde ihr schlecht zu Gesicht: Dann entstünde der Eindruck, sie habe Angst vor einem Kassensturz. Obendrein nähme Diepgens Image eines milden Moderators Schaden.

Also zeigt sich die Union dort kompromissbereit, wo es nicht weiter darauf ankommt. Dass sie eingewilligt hat, 4.900 Stellen im Landesdienst zu streichen, wird keinen Aufschrei auslösen – schließlich hat Innensenator Werthebach den Gewerkschaften einen bedingungslosen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen zugesichert. Wo die Einschnitte genau erfolgen, wird ohnehin erst nach der Wahl entschieden.

Die beiden Punkte, an denen die CDU den Konflikt riskiert, sind mit Bedacht gewählt. Schließlich hat sie Innere Sicherheit und Hauptstadtkultur zu Wahlkampfschlagern erkoren.

Dabei ist völlig unklar, ob Werthebach die Polizisten, die er so vehement verlangt, auch wirklich braucht. Denn noch bleibt offen, welche Kosten bei der Bewachung des Regierungsviertels auf das Land überhaupt zukommen. Und Radunksi weiß schon lange, dass er die Effizienz im Kulturbetrieb erhöhen muss. Die Zuschüsse des Bundes haben ihm dabei Luft verschafft. Passiert ist trotzdem – oder gerade deshalb – nichts. Sein Wahlversprechen, die Wiederauferstehung des Metropol-Theaters, ist ohnehin illusorisch – auch wenn er die Schuld der Finanzsenatorin zuschiebt.

Natürlich wissen die Christdemokraten selbst, dass ihre Wahlversprechen nicht finanzierbar sind. Im Bund rücken sie schon sachte von ihrer Fundamentalopposition gegen Eichels Sparpaket ab. Auch in Berlin werden sie nach der Wahl den Argumenten der Finanzsenatorin willig erliegen.

Wer eine solche Politik betreibt, darf sich freilich über Politikverdrossenheit nicht beklagen. Solch dreiste Heuchelei schadet der Demokratie. Ralph Bollmann