■ Kommentar
: Schluss mit lustig!  Kanzler Schröder beschwert sich über „Peep“

Ekel, Abscheu, Entsetzen. Waren das nicht auch Ihre Gefühle, als Sie am Sonntagabend „Peep“ – beim Zappen, rein zufällig, völlig unbeabsichtigt – auf RTL2 guckten? Der Kanzler als Gummipuppe mit gepiercten Brüsten. Das wollen wir nicht sehen. Das geht zu weit. Nicht nur die Bild-Zeitung wettert auf der Titelseite gegen „Pfui-TV“. Der Kanzler selbst ist empört: „Hier sind nicht nur Geschmacksgrenzen überschritten ...“

Mit einer klaren Definition seiner ganz persönlichen Geschmacksgrenze tut sich Schröder allerdings recht schwer. Vor wenigen Wochen erst klagte der Kanzler über die RTL-Comedy „Wie war ich, Doris?“. Wenn die Familie des Kanzlers einbezogen werde, sei „eine Grenze überschritten“, hieß es damals. „Peep“ kam am Sonntag ohne Kanzlergattin aus. Und eine neue Qualität an Obszönität hat „Peep“ – trotz größter Anstrengungen – auch nicht erreicht. Der Beitrag mit dem Plastikbusen-Schröder wurde schon dreimal gesendet, einmal beim WDR.

Neu ist vielmehr: Nonchalance ist nicht mehr angesagt im Kanzleramt. Aus dem „Wetten, dass ...?“-Kanzler, der lachend auf die Pressefreiheit verwiesen hätte, ist der Kriegs- und Sparkanzler geworden. Der ist nicht länger Everybody's Darling – über den darf sich auch nicht everybody lustig machen. Deshalb beschwert sich Schröder via Bild und lässt sogar „rechtliche Schritte prüfen“. Das ist – gelinde gesagt – ungeschickt. Ein Kanzler, der sich mit einem Billigsender um eine Gummipuppe zankt, wirkt nicht souverän. Selbst wenn Schröder in der Sache Recht hätte: Es riecht nach Zensur, will ein Kanzler sein Bild in den Medien mit Brandbriefen an Intendanten und Klagedrohungen kontrollieren. Ausgerechnet Schröder. Ein Politiker, der im Flirt mit den Kameras nie Grenzen kannte. Ein Ministerpräsident, der seine Scheidung über das Fax der Staatskanzlei an die Redaktionen in aller Welt faxte. Ein Kanzlerkandidat, der sein Siegerlächeln sogar in die Fassadengesichter der Daily Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ einreihte. Wenn einer Grenzen überschritten hat, dann Gerhard Schröder. Auch er ist ein Produkt von Bild, RTL und Co. – wie Naddel, die Moderatorin von „Peep“. Der Sendung kann man nur einen Vorwurf machen. Kulturminister Naumann, der offensichtlich auch „Peep“ guckt, kommentierte treffend: „Satire darf alles sein, aber nicht dumm!“ Robin Alexander