Der tiefe Fluß in das Finanzloch

■ Finanzsenator Runde will Hamburgs leere Kasse durch die Elbvertiefung füllen / Keine höheren Gebühren und kein Dienst-Golf Von Florian Marten

Wußten Sie, daß sich Hamburgs Nabelschnur E-L-B-E buchstabiert? Und daß so eine „Nabelschnur“ gar nicht tief genug sein kann, weil sonst der Weltmarkt an ihr „vorbeituckert“? Wußten Sie, daß man schon Hamburger Senator sein muß, um einen Golf als Dienstwagen zu fahren, der sich im nachhinein als geleaster Mercedes erweist? Und wußten Sie wirklich, wie schlimm es 1996 wird?

Überaus plauderaktiv präsentierte gestern Finanzsenator Ortwin Runde Situation und Perspektiven der Hamburger Finanzen. Der Anlaß: Am Montag startet die Bürgerschaft ihren dreitägigen Marathon zum Durchwinken des 18,9 Milliarden Mark schweren Stadthaushaltes 1996. Die Rahmendaten für die Stadtkasse Hamburg, so Runde düster dräuend, „stimmen mich gar nicht fröhlich“: In den staatlichen Sozialsystemen gähnen riesige Löcher, der Wirtschaftsaufschwung ist zum Erliegen gekommen, die Arbeitslosigkeit steigt. Runde: „Die öffentlichen Finanzen sind in einer so tiefgreifenden Krise, daß die Bundesrepublik 1996 die Maastricht-Bedingungen mit Sicherheit nicht wird erfüllen können.“ Schlichte Schlußfolgerung: Hamburgs Krise kann auf Dauer nur durch eine bessere Politik in Bonn bewältigt werden. Mit Bürgermeister Henning Voscherau als neuem finanzpolitischen Chefunterhändler der SPD, der im Duell mit Theo Waigel das Veto des Bundesrates in der Hinterhand weiß, sieht Runde die Interessen von Ländern und Kommunen in guten Händen.

Doch natürlich muß auch Hamburg seine Hausaufgaben ordentlich machen. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 1993 habe die Finanzpolitik des Stadtstaats eine erfolgversprechende Wende genommen, so Runde. Vom Senator bis zum Sozialhilfeempfänger sei ein „breiter Konsens“ entstanden, daß die Stadt wirklich sparen müsse. Die unerwartet schlechte Konjunktur und Bonner Steuergeschenke hätten die Sanierungslatte jedoch immer höher gelegt.

Glaubte Runde 1993 noch, es genüge, innerhalb von vier Jahren das Ausgabenvolumen gegenüber dem Trend um 800 Millionen Mark abzusenken, so weiß er inzwischen, daß noch einmal „700 Millionen plus X“ draufgesattelt werden müssen. Das 800-Millionen-Sparziel wird 1997 erreicht – wo die mindestens 700 zusätzlichen Millionen herkommen sollen, ist erst in Umrissen klar: Gebührenerhöhungen wird es laut Runde nicht geben. Stellenstreichungen sollen 150 Millionen Mark bringen, der Rest durch Einsparungen bei Investitionen und im Öffentlichen Nahverkehr aufgebracht werden.

An einem darf jedoch nicht gespart werden. Runde: „Die Elbvertiefung ist noch wichtiger als die Hafenerweiterung oder der Elbtunnel. Die Elbe ist Hamburgs Nabelschnur.“ Um das Geld dafür zusammenzusparen, fährt der Senat im kommenden Jahr im niegelnagelneuen Dienstmercedes: „Wir leasen die Wagen jetzt immer für ein Jahr. Das ist billiger, als sich einen Golf zu kaufen.“

Die Journalisten-Empfehlung, dann doch gleich einen Golf zu leasen, konterte Runde: „Wir sind hier doch nicht in Hannover.“