Vier Farben: Tesa

■ Pfiffiges Filmfest Hamburg: Im Cinemaxx stellte Festivalleiter Josef Wutz gestern das diesjährige Programm vor

Da saßen sie, die versammelten Kritikerkollegen. Und als dann Josef Wutz mit hochgekrempelten Jacketärmeln und Mikrofon im Revers die zur lichten Talkshow-Sitzecke umgebaute Cinemaxx-Kellerbühne betrat, hatten nicht wenige von ihnen die Ohren mäuschenhaft gespitzt, um zwischen den bisweilen im grammatikalischen Unterholz verlaufenden Sätzen eine jener gerne weitergereichten Anekdoten des passionierten Freestyle-Rhetorikers aufzuschnappen, die dem heuer vom 21. 9. bis 3.10. stattfindenden Filmfest Hamburg immer wieder einen ganz eigenen, protestanischen Glam verleihen.

Enttäuscht wurden sie dennoch. Die ganz grossen Kracher blieben aus – denkt man etwa an die Begeisterung ob der gerade volljährig gewordenen Praktikantinnen vom letzten Jahr. Und dann doch: Sätze vom Kaliber wie „Wir sind doch alle Profis“; oder mantrahaft-beschwörend „jung, unabhängig, kreativ“ und – vor allem – „pfiffig“. So klischeehaft die Floskeln, so berechenbar aber auch das Amüsement der Spötter.

In Wirklichkeit macht Josef Wutz nämlich nichts falsch. Irgend jemand hat immer was zu meckern – und das kann auch gar nicht anders sein, wenn man sich als Nicht-Wettbewerbsfestival irgendwo zwischen Publikumskino und Autorenfilmer-Askese durchlavieren muß. Zudem: Bei einem Gesamt-etat von bescheidenen 1,6 Millionen Mark (davon 1,1 Millionen aus den Töpfen der Stadt) ist es immer wieder erstaunlich, was die Festivalmacher in der Friedensallee auf die Beine stellen.

Neu ist vor allem die Struktur selbst: Statt in nationalen Kinematografien präsentiert sich das rund 90 Produktionen umfassende Festival in Stimmungen umreißenden Farbschienen – und mit einer stärkeren Indie-Ausrichtung als im Vorjahr. Den Douglas-Sirk-Preis erhält dieses Jahr bezeichnenderweise Jim Jarmusch, dessen zwischen Melville und afroamerikanischem Gangsterism mäandernder Cannes-Knaller Ghost Dog: The Way of the Samurai bei der Preisverleihung am 28. September erstaufgeführt wird. Eine würdige Entscheidung – und ganz sicher im Sinne des in Hamburg geborenen Melodramatikers und Scope-Stilisten.

Neben Peter Greenaways morbider Komödie 81/2, werden auch neue Filme vom französischen Regie-Punk François Ozon, Michael Winterbottom, Majid Majidi und dem Finnen Mika Kaurismäki zu sehen sein. Gespannt sein kann man genauso auf das hochgelobte Reggae-Musical Babymother, den seinen Skandal vor sich hertragenden Romance oder das Schützengraben-Drama The Trench des Romanciers William Boyd. Außer dem Eröffnungsfilm Absolute Giganten aus Tom Tykwers X-Filme-Stall zeigt das Filmfest zudem mit Gloomy Sunday (mit Joachim Król und Ben Becker), Fissimatenten (mit Maximilian Schell) und dem Thriller Schlaraffenland (mit Heiner Lauterbach und Franka Potente) drei weitere deutsche Produktionen.

Am vielsprechendsten nimmt sich jedoch das neu eingerichtete tesafilm festival aus, in dem so aufsehnerregende Debüts wie Judy Berlin, Yana's Friends oder Skin of Man, Heart of Beast zu sehen sein werden. Ob die Filmvorführer im Falle des Filmrisses zu Produkten des Sponsors oder der Konkurrenz greifen werden, ist vorerst allerdings noch Verschlusssache. tob

Programme liegen seit heute in den Festivalkinos Abaton, Cinemaxx, Metropolis, Zeise und 3001 aus