Von der Fete zur Stehparty

■ Nicht mehr jung, immer noch nicht erwachsen: Frank Keil porträtiert die vage Generation der Mittdreißiger

Irgendwie hat sich das Wörtchen „irgendwie“ in unsere Sprache gemogelt. Gerne benutzt man dieses „Adverb der Unbestimmtheit“, nicht nur weil man ungern als Besserwisser erscheinen mag, sondern weil man es tatsächlich nicht besser weiß oder wissen kann, irgendwie. In seinem Buch Irgendwie Dazwischen versammelt der Hamburger Autor Frank Keil programmatisch kleine Skizzen und Miniporträts von Mittdreißigern.

Darin tritt der schläfrige Norbert auf, der seinen gepflegten Mittagsschlaf zum flüchtigen Ritual macht. Oder der Videosammler Georg. Oder der eher lächerliche Pädagogikstudent Albert, der, von seiner Freundin getrieben, „über das Tanzparkett hoppelt“. Alle sind sie an einer Bruchstelle zwischen zwei Lebensabschnitten angelangt, irgendwie dazwischen eben. Sie sind bereits in der Lage, die Jugend samt ihrer Kultur, Gesten und Träume zu reflektieren, sind also nicht mehr ganz Teil von ihr, der Übergang aber in das, was sie für Erwachsenwerden halten, bereitet ihnen sichtlich Schwierigkeiten. Worte wie „Ausflippen“ weisen sie noch als Spontis aus. Allein, sie gehen nicht mehr auf Feten, sondern zu Stehpartys, wo zwar noch eine Anlage in einem Zimmer steht. „Selten verliert sich jedoch einer der Gäste hierher, blickt dann lieber auf die Buchrücken in der Bücherwand und flüchtet nach einer angemessenen Zeit lieber.“

Es sind diese kleinen Randtaten, die unprätentiös auf die Brüche einer Generation verweisen, als deren Teilhaber sich der 37jährige Autor ausweist. Und diese sind gravierender, als es zunächst scheint. Die hier porträtierten Männer tragen allesamt schwer am Erbe der 68 und basteln sich nun ihr Funktionieren zurecht, reden sich gleichsam gesellschaftsfähig: „Und was entsteht durch Regellosigkeit? Trott! Langeweile, ödes Absitzen, weil es keinen Rahmen gibt, den man verändern, mit dem man spielen kann.“ Was Albert hier – zugegeben nach einigem Kampf mit sich – über Standardtänze formuliert, läßt sich bei dieser Zwischengeneration verallgemeinern.

Dabei gelingt es Frank Keil (Paradox oder Symptom?), sie eher anhand kleiner Gesten als über wirkliche Auseinandersetzungen sichtbar zu machen. Das mag auch an der wechselnden Haltung des Erzählers liegen. Das Lied, das von verlorener Jugend und brüchigen Idealen handelt, geht mit der Ausweitung des Blicks von Melancholie zu Zynismus über und klebt immer mehr an den Ereignissen. Insbesondere beim Thema Politik, die nur als verwirrte Stadtteilinitiative und als reichlich ausgebrannte Friedensinitiative auftaucht, verstellen Frank Keil altbekannte Klischees den Blick aufs Detail seiner Generation.

Daß es sich bei diesem Sammelsurium von Männern aus ziemlich unterschiedlichen sozialen Positionen aber überhaupt um eine Generation handelt, die mehr als das Alter gemeinsam hat, will uns am Ende nur noch der Verlag glauben machen. Die vielbemühte Generation X wird erneut und verkaufsfördernd angeführt, wobei es kaum kümmert, daß keine der Figuren Twenty-Somethings sind, die nach dem Erfolg ausgestiegen sind. Wir bieten einen anderen Begriff an. Wie wäre es mit der „vagen“ oder „unbestimmten“ Generation? Die würde auch besser zu ihrem Lieblingswort passen – irgendwie.

Volker Marquardt

Frank Keil: Irgendwie Dazwischen. Aus dem Innenleben einer alternativ-bewegten Generation, Elefanten Press, 170 S., 29.90 Mark