Wirtschaftlicher Gesundheitsschutz

■ Amt für Arbeitsschutz legt Zahlen auf den Tisch / Asbest häufigste Krankheitsursache / Kooperation mit Firmen angestrebt

Schlecht ergangen ist es Hamburgs Arbeitnehmern im vorigen Jahr. „Die Sünden der Vergangenheit treten jetzt zutage, und sie werden uns noch weit übers Jahr 2000 hinaus beschäftigen“, analysierte Mathias Frommann, Leiter des Amtes für Arbeitsschutz. Gestern legte er seinen düsteren Jahresbericht 1994 vor.

Das Schriftstück nennt nur die Zahlen: 487 asbestbedingte Erkrankungen sind im vergangenen Jahr registriert worden, wovon 149 Fälle zu Lungenkrebs geführt haben. Das sind fast 50 Prozent mehr als 1993. Daß mit dem Verbot der lebensgefährlichen Substanz ein Pyrrhus-Sieg eingefahren werden könnte, befürchtet Frommanns Chefin, Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel: „Zumindest einige“ der als Ersatzstoffe entwickelten künstlichen Mineralfasern „müssen nach unserer Überzeugung als krebserzeugend klassifiziert und entsprechend behandelt werden.“ Dies ist nicht das Ende dieser wahrhaft schwarzen Zahlen. Frommann gibt zudem die Dunkelziffer zu bedenken, die auf fehlende diagnostische Erfahrung der Ärzte zurückzuführen ist.

1 772 Fälle von Berufserkrankungen sind 1994 angezeigt worden, damit 14 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Auf die Asbestosen folgen in der Statistik Haut- und Wirbelsäulenerkrankungen und Lärmschwerhörigkeit. Ein weiteres finsteres Kapitel schlägt Fischer-Menzel mit den berufsbedingten Unfällen auf: Mehr als 11.000 Verletzungen mußten verbucht werden, das sind etwa 30 Unfälle täglich. 20 Tote sind zu beklagen.

Mit einer neuen „Arbeitsschutzphilosophie“ will das Amt für Arbeitsschutz nun seine bislang eher passive Rolle abgeben. Kooperation mit den Betrieben soll der Schlüssel sein. Davon glaubt die Gesundheitssenatorin die Unternehmer überzeugen zu können: „Wirtschaftlichkeit und Arbeitsschutz gehören zusammen, weil gesunde Arbeitnehmer die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens gewährleisten.“

Schon in Informationsveranstaltungen sieht Amtsleiter Mathias Frommann einen vielversprechenden Weg zum Erfolg: Das Beispiel der krankmachenden Kühlschmierstoffe, die noch allzuoft verwandt werden, zeigt ihm, daß viele Unternehmer von sichereren und billigeren Möglichkeiten nicht einmal wüßten. Stefan Kreft