Gut entzogen im Knast

■ Pilotprojekte für Spritzentausch und Drogensubstitution in Hamburgs Gefängnissen vorgestellt / Schon der zweite Versuch Von Kai von Appen

Hamburgs Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem will die Drogenproblematik in hanseatischen Knästen weiter eindämmen. Drogenfreie Stationen, Methadon-Substitution und „Spritzentausch“ sind die Kernpunkte eines Programms, das er gestern vorstellte.

Nach Hoffmann-Riems Schätzung sind 30 Prozent der 2900 Hamburger Strafgefangenen von harten Drogen wie Heroin oder Kokain abhängig, weitere 10 Prozent anfällig für Drogenkonsum. Trotz starker Kontrollen sei das Einschmuggeln von Rauschgift in die Gefängnisse nicht zu verhindern. „Mit dieser Dichte muß der Strafvollzug fertigwerden,“ beklagt der Senator. Deshalb seien „handhabbare Maßnahmen“ notwendig, um den „Ordnungsvollzug nicht zu beeinträchtigen.“

Der Senator setzt auf drei Komponenten: So sollen neben den bislang 80 Plätzen in drogenfreien Stationen in den Haftanstalten Fuhlsbüttel und Vierlande zwei weitere Entzugs- und Clean-Trakte in Santa Fu eingerichtet werden. Für diese Einrichtungen können sich Strafgefangene bewerben, die mit „Disziplin und Selbstkontrolle“ sich dem „Entzug unterziehen und eine Therapie wahrnehmen“ wollen.

Nach Hoffmann-Riems Plänen sollen überdies die Substitutionsprogramme mit der Ersatzdroge Methadon von derzeit 165 Plätzen in Neuengamme, Santa Fu und im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis auf 300 Therapie-Plätze aufgestockt werden.

Zaghaft möchte der parteilose Justizsenator Pläne umsetzen, mit denen bereits sein Vorgänger Klaus Hardraht scheiterte: Den Spritzentausch. Dabei gehe es nicht darum, den Drogenkonsum zu bekämpfen, sondern um „gesundheitspolitische Erwägungen“. Durch die Eindämmung der Mehrfach-Spritzennutzung hofft der Senator, eine weitere Ausbreitung von Seuchen (Hepatitis C: 487 Fälle) oder Infektionskrankeiten (Aids: 31 Fälle) zu verhindern. Hoffmann-Riem: „Ich hoffe, die Akzeptanz für dieses Projekt zu gewinnen.“

Diese Hoffnung hatte auch sein Vorgänger Hardraht bereits gehabt. Doch er konnte sich, trotz der Unterstützung einer Expertenkommission, im März nicht gegen Justizapparat und Gefängnisleitungen durchsetzen, die das Spritzentauschprogramm rundweg ablehnten. Hoffmann-Riem daher kleinlaut: „Für uns steht überhaupt nicht fest, ob es ein sinnvolles Projekt ist oder ob es aufgrund der Quasi-Legalisierung eher zum Anreiz für den Drogenkonsum führen könnte.“ Daher werde der Spritzentausch nicht flächendeckend eingeführt, sondern „behutsam in einer Anstalt erprobt“ und nach einem Jahr ausgewertet. Ob die Ergebnisse aber repräsentativ sein können, ist fraglich. Denn das „Pilotprojekt Spritzentausch“ soll in einer Anstalt durchgeführt werden, wo das Besorgen steriler Spritzen bislang kein sonderliches Problem war.