Kritik im Ornat der Unterhaltung

■ Weltschmerz, Gewalt, Hobo: The Nits machen den Soundtrack zum Kinderwestern

Popmusiker sind Künstler, die nicht erwachsen zu werden brauchen. Man erwartet von ihnen keine Versenkung in reife Probleme, keine Verfeinerung von intellektuellen Folterwerkzeugen, keine Häufchen aus Weisheit bei ihrem Gassi durchs Älterwerden. Popmusiker sollen die Dinge leicht halten, sie sollen fröhlich pfeifen, während sie im Treibsand der Hoffnung auf ewiges Glück versinken.

Ein Hochschulstudium der bildenden Kunst muß dabei nicht hinderlich sein. Das beweisen Bands wie die Talking Heads, Velvet Underground oder auch die Nits. Die holländischen Flachland-Romantiker mit perverser Sehnsucht nach heimatlichen Bergen haben aber ein weit ungebrocheneres Verhältnis zu ihrer Vergangenheit als die zuvor genannten. Für die Nits ist Musik keine Rebellion gegen das Würsteldasein der Kunst im Downtown-Kapitalismus. Für sie ist die Kunstgeschichte ein unerschöpflicher Zitatenschatz für ihre von den Beatles und Bob Dylan beeinflußten Balladen.

Über 21 Jahre und 14 Platten breitet sich mittlerweile der nachbarschaftliche Dank aus: Texte über verschütt gegangene Bauhaus-Stühle, Besuche im Centre Pompidou mit Picassos Biografie in der Tasche, flehentliche Ehrfurcht vor Henry Moore oder Altern mit Dada zieren ihre Lieder. Aber auch Weltschmerz, poetische Gewaltskizzen, Joggen in der Hobo-Spur, Kalauer und leicht verrückte Banalitäten finden Eingang in die kalkulierte Naivität der Nits.

Dazu komponieren sie auf einem Piano-Fundament Lieder, die mal Spielzeugmusik, mal Klampfrock mit infektiöser Nähe zu Prollfolkern wie den Levellers sind, um dann wieder wie der Soundtrack zu einem Kinderwestern oder der Neuverfilmung des Andalusischen Hundes zu klingen.

Die Nits füllen damit im Sektor „Song“ die Lücke zwischen Kunst und Pop, die woanders Magazine wie art, Kultursendungen wie aspekte oder Spiegel-Autoren bevölkern. In Ton gegossener Kulturoptimismus, der vor der wirklichen Bitterkeit des Alltags in geschraubte bis spleenige Gediegenheit flüchtet. Und so, wie man diese Erzeugnisse nebenbei durchliest, so kann man auch das Gesamtwerk der Nits auf ihrer neuen Best-Of-Compilation Nest durchqueren. Unterhaltung im Ornat von Kritik, die mehr verdeckt als reizt. Aber schön sein kanns eben trotzdem.

Till Briegleb

Mi., 13. 12., Markthalle, 21 Uhr