„Was soll man da noch sagen?“

■ Eine CDU-Podiumsdiskussion zu Sparzwängen in der Kultur endete in Solidaritätsaufrufen ergebnislos

Die Hamburger CDU mag in vielen Bereichen keine Kompetenz besitzen, mit Klaus Lattmann hat sie immerhin einen Kulturpolitiker von Format, der sich engagiert, unorthodox und oft nicht ganz im Geiste seiner Partei für das ganze Spektrum der lokalen Kunsterzeugung einsetzt. Auch wenn seine eigene Partei bei Haushaltsdebatten oft absurde Sparvorschläge unterbreitet, setzt sich Lattmann doch immer lautstark für einen unteilbaren Kulturglobus ein, der Kleinkunst wie Kunsthalle, Stadtteilzentrum wie Oper umfassen muß.

Anders als sein Parteivorsitzender Ole von Beust, der bei der gestrigen CDU-Podiumsdiskussion Kultur ohne Spielraum (?) gelangweilt Löcher in die Luft starrte, erhob Lattmann hier mal wieder die Stimme und forderte eine breite Front (doch wohl keine Volksfront?) der Kulturschaffenden, um weiteren Einsparungen im Kulturetat der Stadt resolut entgegenzutreten. Außerdem forderte er „gesetzliche Verpflichtungen“, die den Staat zur Unterstützung der Kunst verpflichten.

Das sind Töne, wie man sie vielleicht als Oppositionspolitiker leicht findet, aber für ein Mitglied jener Partei, die Kulturförderung am liebsten auf Sponsoren abwälzen würde und keinen qualitativen Unterschied zwischen Evita und beispielsweise einem Marthaler-Stück entdecken kann (außer daß sie zweiteres hinter vorgehaltener Hand für „Kulturbolschewismus“ halten), ist derartiges Beharren auf Geist durchaus radikal.

Eingeladen hatte Lattmann bekannte und beliebte Personen des öffentlichen Kulturlebens zu einem Dialog, der angesichts Lattmanns Position und von Beusts Schweigen natürlich Reden in eine Richtung wurde: Alle Anwesenden (Isabella Vértes vom Ernst-Deutsch-Theater und der Hammoniale, Yvonne Fietz von der AG Stadtteilkultur, Kunsthallenkustos und Vertreter der AG Bildende Kunst Helmut Leppien, Akademiepräsident Armin Sandig, Jürgen Flimm vom Thalia und Corny Littmann vom Schmidts Tivoli) bekräftigten gemeinsam: „Mehr geht nicht.“

Wobei die Schmerzen doch immer noch sehr nach geringsten Widerständen verteilt werden. Bei Staatstheatern, die über 80 Prozent Personalaufwendungen und hohe Gehälter aufweisen, kürzt es sich eben nicht so leicht, wie etwa bei der Stadtteilkultur, wo Niedriglöhne und karge Sachkosten leicht ohne Rechtsbrüche reduzierbar sind. Laut Rechnung von Yvonne Fietz wurden dort seit 1993 beispiellose 44 Prozent gekappt.

Die latente Resignation der Kulturschaffenden brachte Helmut Leppien, letzter in der Reihe der Vortragenden, mit einem trockenen „Was soll man da noch sagen?“ auf den sarkastischen Punkt, um mit der rethorischen Frage anzuschließen, ob denn wirklich auch noch jemand hören wolle, wie schlecht es der Bildenden Kunst gehe.

Solidarität und Volksfront für Kultur schienen auch während dieser Diskussion wie ferne Orakel an ein streitlustiges Volk, das wohl erst den Zusammenbruch braucht, wie er 1997 konkret droht, um gemeinsam zu handeln. Denn daß sich aus Corny Littmanns Unterhaltungs-Utilitarismus und Jürgen Flimms Aufzählungen erfolgloser Heldentaten, zwischen verstreuten Kulturinitiativen und Verwaltungen von Staatsbetrieben, aus dem Gemenge an Neidereien, Eigeninteressen und politischer Arglosigkeit eine wehrhafte Kraft formen läßt, die der Sparpolitik der nächsten Jahre Paroli bieten kann, scheint doch ein recht naiver Traum. Vielleicht hat ihn ja Ole von Beust geträumt, während er seine Stunden auf dem Podium absaß.

Till Briegleb