Bündnis für Arbeit an der Küste?

■ IG Metall will endlich eine arbeitsmarktpolitische Wende erreichen Von Florian Marten

Arbeitsplätze statt Geld für Überstunden, das Ende der Strategie, Betriebsbelegschaften auf kleine Kernmannschaften auszudünnen, Kostensenkung im Dialog von Betriebsräten und Unternehmen, eine Initiative für mehr Produktion auf deutschem Boden – die Pläne der IG Metall für eine Wende auf dem Arbeitsmarkt sind nicht gerade bescheiden. Der Hamburger Bezirkschef Frank Teichmüller, Gewerkschaftsführer aller Metaller an der norddeutschen Küste: „Es gibt einen echten Kurswechsel in der Gewerkschaftspolitik.“ Wenn heute die IG Metall Küste und der Arbeitgeberverband Nordmetall zusammenkommen, um über ein „Bündnis für Arbeit“ in Norddeutschland zu reden, soll es um den Einstieg in eine neue Ära gehen: „Es muß aufhören, daß der Unternehmer der beste ist, der die meisten Arbeitsplätze vernichtet.“

Ziel der Gewerkschaft ist es, auf bezirklicher Ebene in möglichst vielen Betrieben Arbeitszeitkonten einzuführen und so jene Idee mit Leben zu erfüllen, die IG-Metall-Chef Klaus Zwickel am 1. November mit seinem überraschenden Vorstoß eines „Bündnis für Arbeit“ in die Diskussion brachte: eine Beschäftigungsoffensive in der Metallindustrie, die drei Jahre lang je 110.000 Arbeitslose, darunter 10.000 Langzeitarbeitslose, in Lohn und Brot setzt, auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet und die Zahl der Ausbildungsplätze steigert. Gleichzeitig sollen Bund und Länder auf die Absenkung von Sozialstandards verzichten. Erfüllen Bund und Länder 1996 diese Vorbedingungen, dann will sich die IG Metall 1997 bei der Lohnrunde revanchieren und einen Abschluß in Höhe der Preissteigerungsrate sowie Einarbeitungsabschläge für Langzeitarbeitslose akzeptieren.

Erstes Ziel der IG Metall Küste ist ein Rahmentarifvertrag, der betriebliche Regelungen zum Freizeitausgleich bei Überstunden vorschreibt. Denn: Die Beschäftigungsoffensive kann nicht von oben verordnet oder auf Tarifvertragsebene vereinbart werden – sie muß in den Betrieben selbst entstehen. Das „Bündnis für Arbeit“ setzt deshalb eine Verlagerung der Tarifpolitik in die Betriebe voraus: Während die künftigen Flächentarifverträge allenfalls Rahmenbedingungen und Verfahren festlegen, werden die entscheidenden Deals vor Ort in Betriebsvereinbarungen festgelegt.

Ähnlich wie Hamburgs ÖTV-Boß Rolf Fritsch denkt IG Metall-Bezirkschef Teichmüller dabei an eine verstärkte Mitbestimmung und Mitsprache der Betroffenen, die zum Beispiel für Lohnverzichte und Arbeitszeitflexibilisierung Arbeitsplatzschaffung und Arbeitsplatzsicherung verbindlich eintauschen könnten. In den Betrieben der Zukunft, so die Vision, könnten Produktinnovation, Marktausweitung und Beschäftigungspolitik in einer neuartigen Kooperation von Kapital und Arbeit angegangen werden. Leicht wird das allerdings nicht, fürchtet Frank Teichmüller: „Die Arbeitgeber haben keine gesellschaftspolitischen Vorstellungen, auch wenn sich das ökonomisch bitter rächt.“ Jeder Arbeitslose treibe schließlich auch die von den Unternehmern beklagten Lohnnebenkosten in die Höhe.

Probleme gibt es freilich nicht nur beim Klassengegner: „40 Stunden – das ist Kurzarbeit“ lautet ein beliebter Malocherspruch auf den ostdeutschen Werften, wo die glücklichen Arbeitsplatzbesitzer an Überstunden einsacken, was Gesundheit und Auftragslage nur hergeben. Teichmüller: „Das wird für uns ein hartes Stück Überzeugungsarbeit in den Betrieben.“

Gelingt es dagegen wirklich, Überstunden in nennenswertem Umfang in Freizeit und damit auch in neue Arbeitsplätze zu verwandeln, könnte den Arbeitgebern die Einlösung der Bedingungen Zwickels gelingen. Teichmüller: „Wir werden das am Ende politisch bewerten. Es geht vor allem um den Einstieg in einen neuen Prozeß.“