Das linke Hochamt analysiert

■ Ebermann & Trampert haben ein Buch geschrieben / Zu welchem Zweck, erläutert Jan Feddersen

Thomas Ebermann und Rainer Trampert gehörten in den 70er und 80er Jahren zur Crème de la crème der Hamburger Linken. Innerhalb ihrer Strömung des Hamburger Landesverbands der Grünen bekleideten sie, wie zuvor auch schon innerhalb des Kommunistischen Bundes, die Jobs von Platzhirschen: Ihnen ward alle Ehre angetan. Man erinnert sich, je nach Gusto, gern oder ungern an die Zeiten, als sie die Landesversammlungen dominierten. Abweichler von der offiziellen Linie wurden sanftmütig behandelt mit den üblichen Mitteln herrschender Politiker: mit Buhrufen und Naserümpfen.

Als die Grünen etablierter wurden, als die Partei also erste Antworten geben mußte darauf, was sie denn besser tun würden als die herrschenden Parteien, als Ebermann und Trampert Abstimmung um Abstimmung innerhalb der Partei verloren, zogen sie sich verschnupft gänzlich zurück aus dem Projekt, das sie zuvor gepriesen hatten als entscheidend für den gesellschaftlichen Fortschritt im Sinne der Linken. Seitdem schreiben sie Bücher, seither wirkt Ebermann als Zeitungskommentator in Sachen Pferdesport, seitdem schreiben sie Analysen über das politisch Schlechte, mal in Konkret, hin und wieder im Rolling Stone. Der Tenor ist jeweils der gleiche geblieben: Wir sind standhaft, wir sind aufrecht. Nachzulesen ist dies nun neuerlich in ihrem Buch Die Offenbarung der Propheten.

Es handelt sich um eine Sammlung bereits bekannter Thesen und Behauptungen: Wer sich überhaupt auf den Kapitalismus und seine Geschäftsgänge einläßt, hat verloren. Alles sei, so wird behauptet, im Grunde noch wie in den 20er Jahren. Zwar kann hierzulande nicht ernsthaft von Hungerepidemien geredet werden, dafür um so mehr in der Dritten Welt, die nötigenfalls immer noch gut ist für die Rolle der Kronzeugin.

Doch es steht zu befürchten, daß sich heute abend in der Buchhandlung Schanzenviertel, wo beide um 20 Uhr ihr Buch vorstellen, wieder eine Gemeinde exklusiv zusammenfindet, die die Analyse der beiden einstigen Heroen beklatscht: Kapitalismus ist schlecht, Deutschland sowieso, und die Welt braucht eine Revolution. Wer diese Auffassung nicht teilt und sich dennoch auf ein kritisches Verhältnis zum Bestehenden etwas zugute hält, muß sich der Inkonsequenz zeihen lassen. Denn Linke, die Ebermann und Trampert nicht folgen wollen, sind „Wohlstandslinke“, also freigegeben zum Verstoß aus der zwar kleinen, aber immer noch glaubensfesten Kirche.

Alles, was womöglich begreifenswert oder zumindest diskussionswürdig gewesen wäre während der vergangenen anderthalb Jahrzehnte, ist den beiden Autoren keine Analyse wert: daß die Bundesrepublik vielleicht wirklich liberaler funktioniert, als das Gros der Linken in den 70ern glaubte; daß Frauen und Schwule (auf beide Gruppen kaprizieren sich Ebermann und Trampert so en passant wie selbstverständlich, wenn sie ihr Schreckensbild des gesellschaftlichen Hier & Jetzt malen) tatsächlich weniger marginalisiert sind als noch 1970; daß eine liberale Öffentlichkeit in der Tat aufmerksamer und schärfer auf Einschränkungen von Menschenrechten (Asyldebatte etc.) reagiert als noch 1968; daß also das, was die Bundesrepublik heutzutage ausmacht, den Fischen mehr Raum im Wasser bietet, als linke Organisationen ihren internen Kritikern je boten.

Aber vielleicht sollte man auch gar nicht so genau nachfragen. Auch religiöse Bedürfnisse können in dieser Gesellschaft befriedigt werden – es gibt immer Zuhörer für das Seufzen der bedrängten Kreatur. Und: Warum sollte die Lesung nicht einem Hochamt ähneln? Linderung für wunde Gemüter kommt einem Menschenrecht gleicht: Es tut wohler als jedes Medikament.