■ Der Kochbuchautor Joachim Römer über Soldatenspeisen und schräge Sandwiches
: "Himmel und Erde allein schmeckte zu langweilig"

taz: Herr Römer, gibt es denn überhaupt eine rheinische Küche – oder wissen die Kölner, Düsseldorfer und Bonner jeweils ihr eigenes Süppchen zu kochen?

Joachim Römer: Es gibt durchaus eine rheinische Küche mit Traditionsgerichten, die sich überall wieder finden. Der Sauerbraten, der mit Lebkuchen und Rosinen zubereitet wird, ist nur ein Beispiel. Aber auch die „Appeltaat“ (Apfelkuchen). Weil in der gesamten rheinischen Ebene schon immer sehr viele Apfelbäume wuchsen, wurde überall Apfelkuchen gebacken.

Zur Berliner Küche soll es einige Berührungspunkte geben, die auf die Besatzungszeit zurückgehen.

Besatzung ist der falsche Begriff, obwohl die Kölner diese Zeit tatsächlich so erlebt haben. Köln war ja eine freie Reichsstadt. Mit dem Zusammenbruch des napoleonischen Reiches im vorigen Jahrhundert wurde Europa neu aufgeteilt, und Köln kam zu Preußen. Für die Kölner war das schrecklich! Die Preußen haben dann auch noch das viel kleinere Koblenz zu ihrer Provinzhauptstadt erkoren, das war die endgültige Provokation.

Aber kulinarisch hat man sich wenigstens angenähert?

Einige Gerichte, die die Preußen auf der Pfanne hatten, konnten in Köln heimisch werden. Die unbändige Liebe zur Erbsensuppe, eigentlich ein preußisches Armeegericht für größere Truppen, stammt aus dieser Zeit. Und das preußische Eisbein hat sich ins Kölner „Hämchen“ verwandelt. Die Soldatenküche hat viele Spuren hinterlassen.

Stammt die „Foderkaat“ (Speisekarte) auch aus dieser Zeit?

Die Kölner wollten sich von den Preußen nicht in die Karten schauen lassen. Man pflegte die Mundart, um sich von der Aufsichtsbehörde abgrenzen zu können: Wir haben mit euch nichts gemein, wir reden Kölsch, und ihr versteht uns nicht. Um die Preußen zu ärgern, wurde die im strammen kölschen Dialekt gehaltene Foderkaat erfunden. Noch heute erkennen sich Kölner in der Fremde an der richtige Aussprache des Wortes für Blutwurst: Flönz.

Himmel und Erde, Reibekuchen, Erbsensuppe – die rheinischen Klassiker sind allesamt Armeleuteessen.

Himmel und Erde ist eine Fastenspeise. Eigentlich ist es ein Gemisch aus zweierlei Mus: vom Himmel die Äpfel, von der Erde die Kartoffeln. Weil das tierisch langweilig schmeckte, hat man die Blutwurst draufgesetzt. Das ist aber schon die luxuriöse Variante, die erst später entstanden ist.

In Ihrem Buch „Kölsch, Kaviar und Ähzezupp“ haben Sie ein schrilles Rezept für ein Reibekuchensandwich drin. Verraten Sie es uns?

Das Sandwich stammt aus einem Kochwettbewerb der Kölsch-Brauereien. Für das Sandwich nimmt man eine Scheibe Schwarzbrot und bestreicht sie mit Apfelkraut. Das ist eine rheinische Spezialität ...

Rübenkraut wäre die noch etwas deftigere Variante.

Ja, es gibt große Runkelrübenfelder im südlichen Vorgebirge von Köln. Wenn man die Rübe schnitzelt und einkocht, kommt eine schwarze fadenziehende Flüssigkeit zustande, die wie Wagenschmiere aussieht, eine interessante Süßspeise. Aber für das Sandwich nehmen wir Apfelkraut. Darauf setzen wir einen heißen Reibekuchen, eine Lage rohes Sauerkraut und garnieren es mit Crème fraiche und gehackten Zwiebelchen.

Klingt oberdeftig.

Das ist es auch.

Essen Sie selbst gerne rustikal oder gehen Sie lieber zum Italiener?

Gelegentlich ist ein Schlag aus dem Erbsensuppenkessel eine wunderbare Sache. Auch die Reibekuchen werden in Köln nach wie vor gern gegessen. Man kann sogar Lachs dazu servieren oder Kaviar. Die Kölner Nationalgerichte werden immer noch gepflegt und sind sehr beliebt. Das ist keine Nostalgie, sondern ein lebendiges Stück Tradition. In meinem Buch habe ich versucht, die alten Rezepte zu verfeinern.

Interview: Manfred Kriener

Literatur: Joachim Römer: „Kölsch, Kaviar und Ähzezupp“. Wienand-Verlag, Köln 1990, 234 Seiten 39,80 Mark. Vom gleichen Autor im gleichen Verlag 1994: „Kölsches Kochbuch“. 64 Seiten, 38 Mark