Hamburgs unbekannte Gotteshäuser entdecken

■ Zum diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ öffnen 23 Sakralbauten in 20 Stadtteilen ihre Pforten

Der zierliche Kuppelbau aus weiß getünchtem Backstein scheint aus einer anderen Welt zu stammen. Trotzig schraubt er seine blauen, mit goldenen Sternen besetzten Zwiebeltürmchen in den Himmel. Dieses Märchenschloss vor der tristen Silhouette der SAGA-Hochhäuser ist das Herzstück der russisch-orthodoxen Gemeinde in Hamburg: die Kirche des seligen Prokop von Lübeck und Ustjug.

Die 1962 von dem Architekten Alexander S. Nürnberg nach byzantinischen Vorbildern in Stellingen (Hagenbeckstraße 10) errichtete Kathedrale gehört zu den 23 Hamburger Sakralbauten in 20 Stadtteilen, die zum bundesweiten „Tag des offenen Denkmals“ ausnahmsweise ihre heiligen Pforten öffnen. Dabei richten die Veranstalter, die Stiftung Denkmalpflege, das Denkmalschutzamt und der Verein Freunde der Denkmalpflege, das diesjährige Augenmerk besonders auf Kirchen der Nachkriegszeit. Doch neben christlichen finden sich auch Gotteshäuser anderer Religionsgemeinschaften auf der Liste.

Wie viele Mitglieder seine russische Gemeinde inzwischen zählt, kann Vater Jozef Wowniuk nicht einmal schätzen. Seit vier Jahren ist er Priester der Kirche des seligen Prokop in Stellingen. Warum die Mitglieder registrieren, fragt er achselzuckend: „Wenn jemand kommt, ist gut. Wenn nicht, ist auch gut.“ Der Herr wird es schon wissen. Die beste Aussicht hat er ja: Vom Inneren der Kuppel blickt er hinab, umgeben von Evangelisten und Erzengeln. Die Decken und Wände sind über und über mit Fresken versehen, die der Maler Baron Nikolai von Meyendorff serbischen und altrussischen Wandgemälden nachempfunden hat. Wie in orthodoxen Kirchen Tradition, ist der Altarraum durch eine Ikonenwand abgetrennt. Ihre Türen öffnen sich jedoch nur zu ganz besonderen Anlässen – und geben den Blick frei auf das Allerheiligste: das goldene Tabernakel.

Die immerhin noch ein Jahrzehnt zuvor erbaute Dänische Seemannskirche in der Neustadt (Dietmar-Koel-Straße 2) setzt auf Moderne statt auf Mittelalter. Der Hamburger Architekten Otto Kindt hat das Gebäude 1952 im Typus eines Etagenhauses mit flachem Satteldach und abgerücktem Turm errichtet. Das offene Glockenhaus zitiert Erik Möllers Kopenhagener Adventskirche von 1944. Einer expressiven Bauidee folgt dagegen der kreisartige Grundriss der katholischen Pfarrkirche Maria Grün in Blankenese (Schenefelder Landstraße 5). Clemens Holzmeisters asketischer Klinker-Rundbau von 1930 mit Glasfenstern von Heinrich Campendonk egalisiert durch seine Form die Distanz zwischen Altar und Gemeinde – ein demokratisches Selbstverständnis von Architektur, das den Nazis ein Dorn im Auge war.

Wie eine Erscheinung aus Tausendundeiner Nacht wirkt die iranisch-schiitische Imam Ali Moschee inmitten der bürgerlichen Stadtvillen an der Alster in Uhlenhorst (Schöne Aussicht 36). Der orientalische Bau, 1969 nach Plänen der Architekten Schramm & Elingius realisiert, ist außen wie innen mit reichen Mosaikornamenten verziert. Ein anderes interessantes Gebäude ist Albert Rosengartens dreiflügelige Wohnanlage für Hilfsbedürftige der „höheren Stände“ von 1852 (Schröderstiftstraße 34), von der allerdings nur noch ein Seitenteil und das Haupthaus erhalten sind. Im Zentrum steht die Schröderstiftkapelle Ro-therbaum. Der romanisierende Kuppelbau mit Sterngewölbe ist eine Reminiszenz an die Hagia Sophia Konstantinopels. 1904 wurde die Kapelle von Albert Petersen zum Mausoleum umgebaut. Seit 1972 nutzt die griechisch-orthodoxe Gemeinde den Raum als Kirche.

Die in diesem Jahr ausgewählten Bauwerke versprechen nicht nur einen architektonischen Streifzug kreuz quer durchs gesamte Stadtgebiet, sondern geben auch Einblicke in verschiedene hier lebende Kulturen. Neben Führungen, Vorträgen und Turmbesteigungen gibt es liturgische Konzerte und Gottesdienste: ein Ausflug ins Unbekannte der eigenen Stadt. Ulrike Bals

Sonntag, 12. September; folgende weitere Sakralgebäude stehen Besuchern offen: St. Bonifatius/Eimsbüttel, Dreieinigkeitskirche/St. Georg, St. Jacobi Marienaltar/Innenstadt, St.-Pauli-Kirche, Mennonitenkirche/Altona, Paul Gerhardt-Kirche/Bahrenfeld, Adventskirche/Schnelsen, St. Marien/Fuhlsbüttel, St. Sophien/Barmbek, Dominikanerkloster St. Johannis/Barmbek, Dreifaltigkeitskirche/Hamm-Nord, Erlöserkirche/Farmsen-Berne, Mariae Himmelfahrt/Rahlstedt, Martinskirche/Rahlstedt, Erlöserkirche/Lohbrügge, St. Severin/Kirchwerder, St.-Thomas-Kirche/Rothenburgsort, Dreifaltigkeitskirche/Harburg