Angebot für Sanges-Interessierte
: Endlich mal singen

■ Kurse zur Stimm-Entfaltung „boomen“ in Bremen / Ein Einblick ins Angebot

Sie können nicht singen? Bestimmt, weil es Ihnen als Kind verboten wurde. Weil alle Töne nur schief rauskamen und so gar nicht passen wollten zur eigentlichen Melodie. „Ich kann nicht singen – das gibt es nicht“, glaubt dagegen der Stimmpädagoge Andreas Amir Müller. Zumindest könne man es lernen. Die Nachfrage nach Kursen zur Stimmentfaltung „boomt“ in Bremen.

Auch Sieglinde Gramse von der Volkshochschule in Bremen berichtet, dass immer mehr Kurse im Bereich Stimme und Gesang dazu kommen. Schnell sind die Kurse ausgebucht. In den letzten vier Jahren habe sich das Angebot fast verdoppelt.

Die Teilnehmer in Müllers Training „Atem, Stimme und Gesang“ träumen davon, später im Chor singen zu können. Oder sie wollen ihre Stimme entdecken. Und Vielredner wollen lernen, ihre Stimmbänder kraftsparend aber ausdrucksstark einzusetzen.

Stimme, Gestik und Mimik machen bei Vorträgen mehr aus als der Inhalt, der vermittelt werden soll, erklärt Müller. Diese sprachlichen Mittel entscheiden darüber, ob man überhaupt zuhört, was vom Inhalt hängen bleibt. Wissenschaftliche Untersuchungen errechneten, dass Stimme, Gestik und Mimik 90 Prozent eines Gesprächs ausmachen. Der Inhalt nur zehn Prozent. Andere Untersuchungen gehen von einem Verhältnis von 80 zu 20 aus. Aber egal welche Rechnung – „die Zahlen sind krass“, sagt der Atem- und Stimmpädagoge. Das Verhältnis mache aber deutlich, wie wichtig die Stimme ist. Denn die vermittelt eben nicht nur den Inhalt, sondern immer auch die Stimmung des Redners. Sie „verkörpert“ etwas. Ohne diese Nonverbalen Qualitäten sei der Redner nicht viel mehr als ein „Megaphon“.

Ein anderer Schwerpunkt in Müllers Kursen ist der Gesang. Anke zum Beispiel singt schon seit der dritten Klasse nicht mehr. Die Lehrerin hatte ihr damals ganz unverblümt gesagt, sie sollte doch besser den Mund halten, damit man die anderen Kinder besser raushören könne. Das war das Ende vom Lied – Anke hörte ganz auf zu singen. Im Musikunterricht klappte sie den Mund auf und zu und tat so als würde sie singen.

Das ging auch Andreas Amir Müller so. Seine Mutter hatte ihm gesagt, er könne nicht singen. Da war er drei Jahre alt. Erst 16 Jahre später fing er mit Stimmtherapien an. Heute ist er selbst Therapeut und Sänger. Seine Mutter findet seine Konzerte mittlerweile sogar „ganz gut“.

Am Anfang der Kurse sind die Sangesinteressierten noch verhalten, berichtet Müller. Lange Jahre Hemmungen gilt es abzubauen. Lange Jahre des Einredens ganz partout nicht singen zu können. Mit einfachen Spielen fängt Müller an: Mit Ausatmen Klang zu erzeugen. Töne entstehen zu lassen. Und von Tönen ist der Schritt zur Melodie nicht mehr weit.

„Schräg singen ist legitim“, erklärt Müller. Schöner werde es mit der Zeit. Schief singen sei dagegen etwas anderes: Das hat viel mit Hören zu tun. „Den Ton, den man hört, muss man mit der Stimme auch umsetzen können.“ Aber auch das sei erlernbar – jedenfalls mit viel Übung.

Am Seminar-Ende steht manchmal die selbstgebaute Bühne: Für das Solo - „der Höhepunkte des Gesangs“. Mit einer ganz wunderbaren Erfahrung gehen die meisten Leute nach Hause. Mit der Erfahrung, doch singen zu können. Ein „Durchbruch“ für viele, sagt Müller. Nach vielleicht 30 Jahren, es geschafft zu haben: Singen. „Ein Triumphgefühl, eine Euphorie“. Der nächste Schritt sei dann der Chor.

Müllers eigener Sohn ist jetzt drei. Die Töne, die er beim Singen von sich gibt, „hören sich manchmal schrecklich an.“ Aber das wird still ertragen. Kritik würde zuviel kaputt machen. pipe