„Drehscheibe“ tauscht Neonazis gegen Butterfahrt

■ Die Deutsche Volksunion kippt ZDF-Wahlsendung zur Landtagswahl in Thüringen

Berlin (taz) – Das Verwaltungsgericht Mainz hat gestern per einstweilige Verfügung dem ZDF die Ausstrahlung eines Beitrags zur Landtagswahl in Thüringen untersagt. Das Gericht folgte damit einem Antrag des thüringschen Landesverbandes der Deutschen Volksunion (DVU).

Erstmals in ihrer Geschichte gelang es der DVU, eine Fernsehsendung zu kippen, weil einer ihrer Vertreter nicht zu einer Parteienrunde zugelassen wurde. Anstelle des Gesprächs mit den Spitzenkandidaten von CDU, SPD, PDS und den Grünen strahlte die „Drehscheibe“ gestern um 12.15 Uhr einen Beitrag über Butterfahrten aus. Bereits am Donnerstag um 13 Uhr erstritt die Partei per einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Weimar eine Teilnahme ihres Spitzenkandidaten Otto Reißer an den Aufzeichnungen der ZDF-Gesprächsrunde auf dem Bahnhofsvorplatz in Erfurt. Mitdiskutieren durfte er trotzdem nicht. Warum? Darüber gibt es widersprüchliche Angaben.

„Reißig konnte an der Runde nicht teilnehmen, da er erst nach Aufzeichnungsbeginn um 13.30 Uhr erschien“, so die Auskunft der ZDF-Pressestelle in Mainz. „Unsinn“, lautet der Kommentar des DVU-Kandidaten. Nachdem Reißig mit dem Hinweis, es handele sich um keine Live-Sendung, auf seiner Teilnahme beharrte, änderte sich laut Reißig die Argumentation der ZDF-Mitarbeiter. „Wenn Sie an der Diskussion teilnehmen, gehen die anderen Diskussionsteilnehmer, teilten sie mir nun mit.“

Reißigs Angaben werden vom Sprecher des Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU) bestätigt. Und von der Spitzenkandidatin der PDS, Gabi Zimmer: „Nachdem uns ein ZDF-Mitarbeiter von der drohenden DVU-Teilnahme informiert hatte, sind sich Vogel, Anne Voss von den Grünen, Richard Dewes von der SPD und ich einig gewesen, wenn Reißig kommt, dann gehen wir.“ Zimmer weiter: „Erst aufgrund unserer klaren Haltung schwenkte die Aufnahmeleitung auf unsere Linie ein. Zuvor kam aus der ZDF-Sendezentrale in Mainz die Order, Reißig mit in die Runde zu nehmen.“

Reißig fühlt sich ein weiteres Mal als Opfer. „Bislang hat man uns vorgeworfen, wir seien medienscheu. Aber wenn wir uns öffentlich stellen wollen, tut man alles, um das zu verhindern.“ Tatsächlich rückt die DVU neuerdings vom Prinzip Wahlkampf ohne Gesichter ab. In Brandenburg präsentierte sich die attraktive Liane Hesselbarth der Nation. Und in Thüringen wirbt die DVU mit Reißigs Konterfei. Bislang räumen die Wahlforscher der DVU 3,5 Prozent ein. Tendenz steigend.

Eberhard Seidel