Der Tag des geschlossenen Bahnhofs

■ Die Berliner begrüßten die Regierung. Mit Festen und Demonstrationen. Über 1.000 Teilnehmer kamen zur „Reclaim the streets“-Party. In den Bahnhof Friedrichstraße durften sie nicht, dafür wurde das Lafayette besucht

Rund eine halbe Million Menschen kamen nach Regierungsangaben gestern zum „Kanzlerfest“ auf die Straße Unter den Linden. 40.000 hatten schon am Vortag die für Führungen geöffneten neuen Ministerien der Bundesregierung besucht. Und 25.000 Schaulustige nutzen den „Bahntag“ zur Besichtigung des frisch renovierten Bahnhofs Friedrichstraße.

Da wollte auch die linke Szene nicht zurückstehen. Über 1.000 waren am Samstagnachmittag ebenfalls zum Bahnhof Friedrichstraße zur vierten „Reclaim the Streets“-Party gekommen, um „gegen die Berliner Republik der Blödiane und Langweiler“ anzutanzen. Als sie sich jedoch gegen 17 Uhr in den Bahnhof begeben wollten, schlossen Bundesgrenzschützer die Türen. Bei den anschließenden Rangeleien wurden mehrere Personen festgenommen.

Mehrere hundert „Straßen-Besetzer“ gelangten dennoch mit der U-Bahn oder zu Fuß in die Friedrichstraße vor das Kaufhaus Lafayette. Dort wartete ein Lkw mit Tanzmusik. Die Polizei versuchte immer wieder, die Menge zu teilen. Kleinere Gruppen, die über Seitenstraßen zur Tanzfläche gelangen wollten, wurden verfolgt, Einzelne festgenommen.

Als die Polizei in der Friedrichstraße gegen die bis dahin friedlich Feiernden von beiden Seiten vorrückte, blieb für etwa 60 Personen als letzter Fluchtweg das Nobelkaufhaus Lafayette, das dank einer Ausnahmegenehmigung zum Kanzlerfest noch geöffnet hatte. Drinnen war es mit der Friedlichkeit dann kurzzeitig vorbei. Regale wurden umgestürzt und die Auslagen der Parfümerie-Abteilung zu Boden geschmissen.

Erst als sich die Polizeikräfte auf die Absicherung der Straße beschränkten, beruhigte sich die Lage wieder. Die Demonstranten tanzten und verzierten das Straßenpflaster mit reichlich Farbe. Gegen 18.25 Uhr erklärte die Polizei die traditionell nicht angemeldete Feier für beendet. Man habe die Veranstaltung „bisher mit einem Höchstmaß an Toleranz“ begleitete, schnarrte es aus dem Polizeilautsprecher, und bitte die Teilnehmer, nun dem Musik-Lkw Richtung Kreuzberg zu folgen.

Die Party-Demo wandelte sich in eine klassische „Latsch-Demo“, wie Teilnehmer bedauerten. Vor dem Berlin-Museum beschlagnahmte die Polizei um 19.30 Uhr den Musik-Lkw und beendete somit den Umzug. Nach Polizeiangaben wurden insgesamt 29 Personen festgenommen. msc/ga