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In Genua wird abgeeichelt

Von wegen Toskanafraktion: Ausgerechnet unter Rot-Grün wird eines der ältesten Goethe-Institute in Italien geschlossen. In Berlin verschließt man sich bürgerfern allen Gegenargumenten – und Gegenfinanzierungsvorschlägen  ■   Aus Rom Werner Raith

Nicht gut für Goethe: Der Geist lässt sich heute eher im Finanzwesen nieder – oder sieht sich in Fußballerbeinen repräsentiert.

Ihren Namenspatron durften sie alle noch gebührend feiern – zum 250. Geburtstag des Weimarer Geheimrates waren allenthalben große Zeremonien angesagt, mit Offiziellen, die in Kulturwonnen schwammen, und vielen schönen Ausstellungen. Doch dann kam Eichels Sparstift: Das Goethe-Institut von Genua, eines der ältesten in Italien, wird geschlossen.

„Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel“, skandiert Faust in „Der Tragödie Erster Teil“, und ähnlich denkt wohl auch die Zentrale der Institute in München: Ihr Generalsekretär Joachim Sartorius gilt längst als der „Bundesschließmeister“ der Institution: Gnadenlos liquidiert München die Goethe-Dependencen, unbeeindruckt von den Imageverlusten der Bundesrepublik.

Schon vor drei Jahren wurden etwa in Italien die geografisch grundwichtigen Sitze in Triest (das „Fenster“ zum Balkan) und Palermo (mit Brückenfunktion im gesamten Mittelmeerraum) dichtgemacht. Die Schließung nun auch Genuas darf als weiterer Beweis bundesrepublikanischen Banausentums angesehen werden – wurde die Stadt doch für das Jahr 2004 zur „Kulturhauptstadt Europas“ ernannt; eine deutsche Vertretung wird es dann nicht mehr geben.

Allgemein galten die – einst weltweit 135 – Goethe-Institute bisher als einer der wenigen im Ausland unumstrittenen Positivposten, jenseits von pickelhaubigem Preußentum und kleinkarierter Tagespolitik. Seit ihrer Gründung 1951 (nach einem ersten Ansatz 1932) und der ab 1959 erfolgten Eingliederung der Deutschen Kulturinstitute des Auswärtigen Amtes entwickelten sie sich zu hoch angesehenen Begegnungsstätten mit differenzierten Programmen, vom Sprachkurs bis hin zu Vortragsreihen und Diskussionsforen. Das Schließungsprogramm sorgt nun fast nur noch für negative Schlagzeilen – allerorten: Alleine in Europa sollen in den nächsten Monaten 18 Institute zumachen, fünf weitere außerhalb des Alten Kontinents stehen vor der Schließung.

Entsprechend entsetzt klingen die Kommentare – nicht nur der Genueser und auch nicht nur der Kulturschaffenden. „Ausgerechnet jetzt“, murrt ein Mitarbeiter des Deutschen Generalkonsulates in Genua, „wo die halbe Regierung aus der so genannten 'Toskanafraktion‘ besteht: Ausgerechnet jetzt hauen die so ziemlich alles kurz und klein, was bisher Freundschaft und kulturelle Achtung für Deutschland bedeutet hat.“ Er sieht das wohl in größerem Zusammenhang: auch sein Amt, das Generalkonsulat, wird zum Jahresende geschlossen, und selbst die hoch angesehene Deutsche Schule wird mächtig „redimensioniert“, Vorspiel wohl zur endgültigen Schließung.

Im Ganzen möchte Finanzminister Eichel mit Kultureinsparungen im Ausland 28 Millionen Mark gewinnen – ein Klacks, gemessen am Schaden, den die Berliner damit anrichten – und der sich möglicherweise bald auch wirtschaftlich niederschlagen wird: Institute wie das „Goethe“ in Genua haben zehntausenden Italienern das Deutsche beigebracht, viele Manager und Verbindungsleute haben hier ihre positiven Erfahrungen gesammelt. „Bei uns bedeutet Deutschlernen und die Begegnung mit deutscher Kultur berufliche Qualifikation“, so Genuas Bürgermeister Giuseppe Pericu. Noch vor drei Jahren, als Finanz-Waigel am Drücker saß, der bei Kultur, speziell wenn sie nicht bajuwarischer Provenienz war, gerne sein „k. w.“ (kann wegfallen) dahintersetzte, hatten die Neapolitaner die drohende Schließung ihres „Goethe“ durch massive Interventionen von Politikern und Intellektuellen verhindern können. Diesmal, während Kanzler Schröder seinen Urlaub in Positano, AA-Chef Fischer den seinen in der Villa unweit Florenz verbringt, half alles nichts – obwohl sich von Außenminister Lamberti Dini über die Verlegerin Inge Feltrinelli bis zum Potsdamer-Platz-Architekten Renzo Piano nahezu alles, was Rang und Namen hat, für den Erhalt einsetzte, und innerhalb weniger Tage über 6.500 Italiener ihren Namen unter die Petitionsliste setzten, kam am Wochenende das Aus. Eine Delegation von Schließungsgegnern wurde vom geplanten Treffen mit Schröder in Berlin kurzerhand nach Bonn umgeleitet. Dort wurden die Bittsteller dann mit einem Vertreter des Bundesaußenministers abgespeist: Toskana-Joschka, formal für die Institute zuständig, hatte wohl ebenfalls nicht den Mut, den Liquidationsopfern in die Augen zu schauen.

Dabei wäre gar nicht mal allzu viel nötig, das Goethe-Institut zu retten. In einem Gegenfinanzierungsplan, den die von Jacquelin Tschiesche koordinierte Initiative „Salviamo il Goethe“ (Retten wir das Goethe-Institut) ausgearbeitet hat – und der private Sponsoren in das Institut einbezieht –, fehlen gerade noch 400.000 Mark jährlich.

Der deutsche Geist scheint sich derzeit jedoch allenfalls im Finanzwesen niederzulassen (so ist z. B. die Westdeutsche Landesbank bei der Genueser Cassa di Risparmio eingestiegen, die deutsche Hapag-Lloyd macht eine Vertretung in der ligurischen Hafenstadt auf) – oder er fühlt sich von Fußballerbeinen eher repräsentiert als in Kulturinstituten: Die Verlagsgruppe Bertelsmann hat sich Ende August mit über 100 Millionen Mark beim Kickerverein Sampdoria Genua eingekauft.

Wäre vielleicht doch noch Zeit, dass am Ende einer aus Gütersloh mit einem Scheck in der Hand nach Genua kommt und spricht, wie weiland der „Geist“ zu Fausten: „Mich neigt dein mächtig Seelenflehn – da bin ich.“

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