Dewes' schwere Stunde

■ Der einstige SPD-Hoffnungsträger hat sich zu lange auf Rot-Rot verlassen. Richard Dewes, Spitzenkandidat der SPD in Thüringen, hat kräftig verloren und geht in die Opposition

Erfurt (taz) – Schwarz stoppen, wählen gehen“, hatte die Thüringer SPD in den letzten Tagen massiv plakatiert. Denn so viel war Richard Dewes klar: Wenn die Wahlbeteiligung ähnlich mau wie in Brandenburg ist, bezieht die Sozialdemokratie die nächste Tracht Prügel. Jetzt steht der SPD-Spitzenkandidat im Schweinwerferlicht, zottelt an seinem Schlips und versucht gequält zu lächeln. Zwar klatschen die Wahlkampfanhänger im SPD-Party-Zelt. Richard Dewes macht sich aber für die Prügel bereit. Mit einem Minus von fast 10 Prozent im Vergleich zu 1994 ist die Bilanz des Parteichefs desaströs. „Ich freue mich, dass so viele hier ins SPD-Zelt gekommen sind, um mir ihre Solidarität zu zeigen“, sagt Dewes. Es scheint, als müsse er sich am Podium festhalten. Mit leerem Blick redet er viele Worte, die nichts sagen. Der Spitzenkandidat der SPD will trotz der Stimmenverluste nicht zurücktreten: „in dieser schweren Stunde“ werde er sich nicht aus der Verantwortung ziehen, erklärte er mit Leidensmine. „Wir haben zusammen die SPD aufgebaut und zu einer geschlossenen Formation gemacht, die handlungsfähig ist.“ Solidarität ist das Letzte, was dem Verlierer geblieben ist. Noch zur Bundestagswahl war die SPD in Thüringen stärkste Partei geworden. Zwar sackten die Sozialdemokraten dann bei den Europa- und Kommunalwahlen deutlich ab. Vor sechs Wochen sagten die Umfragen aber noch eine knappe Mehrheit für das linke Lager voraus. Alles verspielt. Dewes hat so ziemlich alles, was man nur falsch machen kann, falsch gemacht. Seine Taktik, das Verhältnis zur PDS bis zum Schluss offen zu lassen, ging nicht auf. Anders als sein Saarländer Kollege Reinhard Klimmt erklärte Dewes immer wieder gebetsmühlenartig, es gebe keine Alternative zum Sparpaket. Nie ist es dem Spitzenkandidaten gelungen, sich als Mann des Volkes zu präsentieren. Und auch in seinem Innenministerium erlaubte er sich zuletzt unglaubliche Pannen.

Vor fünf Jahren kam Dewes aus dem Saarland nach Erfurt. Dort präsentierten sich die Sozialdemokraten damals in einem ziemlich miserablen Zustand. Dewes, der Hoffnungsträger, brachte als Innenminister neuen Schwung in die SPD. Dann wurde er mit deutlicher Mehrheit zum Landeschef gewählt. Die Spitzenkandidatur schloss sich nahtlos an. Jetzt ist der Politiker Dewes am Ende. Immer wieder hatte er erklärt, für ein neues Vogel-Kabinett nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Mit diesem Ergebnis dürfte er auch als Landeschef nicht mehr zu halten sein. Die SPD nur drittstärkste Kraft! Zwar schwebt Enttäuschung und Frust im SPD-Zelt über der Szene. Vom Schlachten mag aber hier keiner reden. „Wir werden mit Solidarität das Ergebnis analysieren und dann handeln“, sagt Wissenschaftsminister Schuchardt. Bekanntlich hält Solidarität aber nicht lange vor.

Nick Reimer