„Wir haben eine Spur“

■  Bayerns Grünen-Chef Jerzy Montag glaubt, dass sich CSUler in der LWS-Affäre bereicherten. Vor der Sondersitzung im Landtag spricht er über Wühlarbeiter, Kronzeugen und Anarchie in Bayern

taz: In der SPD soll es eine „Wühlergruppe“ geben, die intensive Nachforschungen über die LWS-Affäre anstellt. Warum hört man von den Grünen nichts?

Jerzy Montag: Weil wir nicht wühlen. Das Wühlen bringt auch überhaupt nichts. Fürs Wühlen sind Journalisten zuständig, und das machen sie auch gut und da kommt viel heraus: In der CSU ist ein offener Machtkampf ausgebrochen. In diesem Austausch von Schlägen werden immer wieder Dokumente und Einzelheiten an die Öffentlichkeit gebracht.

Übernimmt jetzt die Regierungspartei auch noch die Arbeit der Opposition?

Nein, aber es ist richtig: Wenn zwei Elefanten aus der CSU – der eine etwas größer, der andere etwas kleiner – aufeinander einschlagen, dann kann man sich in die erste Reihe setzen und zuschauen. Da erreicht man viel mehr, als wenn man sich in diesen Kampf mit hineinbegibt. Trotzdem müssen wir uns als eine kleine Partei in einem Land, das 37 Jahre von einer Partei absolutistisch beherrscht wird, auf die Oppositionsrechte besinnen.

Was heißt das konkret?

Die Grünen fordern einen Untersuchungsausschuss und eine lückenlose Aufklärung dieses Skandals und der vielen Skandale, die sich noch darum ranken.

Die CSU war durch Untersuchungsausschüsse noch nie zu beeindrucken.

Mag sein, aber es geht ja bei der LWS-Affäre um Grundsätzliches: Es gibt ein Märchen in Deutschland und das gibt es auch in Bayern, nämlich: Die Rechten könnten gut mit Geld umgehen. Das ist absoluter Unsinn, sie können nur gut mit Geld anderer Leute umgehen. Stoiber arbeitet nach dem Gießkannenprinzip. Er versilbert die Vermögenswerte, die Bayern besitzt, und streut die Milliardengewinne übers Land. Damit stellt er seine Untergebenen in den einzelnen Landesteilen ruhig. Wenn die Quellen versiegen und die Privatisierungserlöse ausgegeben sind, dann ist es mit der Wirtschaftspolitik à la Stoiber schnell zu Ende.

Mangelt es der Opposition nicht an einem starken Gegenspieler zu Stoiber?

Auch wir Grünen wissen: Politik wird über Menschen vermittelt. Doch wir haben immer noch ein Problem, die Trennung von Amt und Mandat. Das bedeutet, dass der Parteiführung die Arena des Landtags verwehrt ist. Ohne gute Präsenz im Parlament ist der Aufbau von Persönlichkeiten unglaublich schwer. Zur SPD nur ein Wort: Es war unklug, mit Renate Schmidt eine Vorsitzende auf Abruf zu installieren. (Die bayerische SPD-Chefin hat ihren Rücktritt für 2001 angekündigt, Anm. d. Red.) Es ist höchste Zeit, dass die SPD Persönlichkeiten aufbaut, die mit der ganzen Kraft der Partei und ihrer Person gegen Stoiber angehen können.

Aber auch bei den Grünen könnten sich jetzt Personen profilieren – wie einst Otto Schily im Flick-Ausschuss, der aus Kohl einen „Blackout“ rauskitzelte. So etwas bleibt in Erinnerung. Wird man im Untersuchungsausschuss etwas hören, was nicht sowieso schon in der Zeitung stand?

Es ist nicht so, dass wir uns nicht profilieren wollen. Ich möchte das schon. In den Untersuchungsausschuss werden wir unsere Beste schicken: Emma Kellner, unsere finanzpolitische Sprecherin. Die kennt die Tricks und Schlichen der CSU. Ihr traue ich zu, dass sie auf Seiten der Opposition die Federführung übernehmen wird.

Wie werden die Grünen am Montag abstimmen, wenn es um die Entlassung Sauters geht?

Darüber wird die Fraktion entscheiden. Ich plädiere für Enthaltung, weil eine Abstimmung zusammen mit der CSU bedeuten würde, dass wir Sauter zum Alleinschuldigen und die Sache damit für erledigt erklären. Stoiber steht jetzt zur Disposition!

Fordern Sie seinen Rücktritt?

Wir fordern eine parlamentarische Untersuchung. Die Schlüsse zieht man hinterher und nicht vorher. Aber eines ist klar, Stoiber wird im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen.

Hoffen Sie dabei auf weitere Schützenhilfe von Alfred Sauter?

Er wird schlichter Zeuge sein, der unter Wahrheitspflicht steht. Ich halte nichts von Kronzeugen, weder im Strafprozess noch im Untersuchungsausschuss. Mir reicht der Zeuge Sauter.

Wie wollen Sie verhindern, dass bald wieder Gras über die Sache wächst? Offensichtlich hat sich niemand bereichert ...

Einspruch! Das wissen wir noch nicht. Die LWS hat unverkäufliche Grundstücke zu überhöhten Preisen aufgekauft, in Lagen, wo kein Mensch investieren wollte. Damit hat man Millionenbeträge in den Sand gesetzt. Wer hatte davon einen Nutzen? Das wird man zu prüfen haben. Wir haben schon eine erste Spur. Die führt über Rechtsanwalt Dr. Peter Gauweiler (CSU), der für einen Grundstückshändler den Kauf einer Ruine durch die LWS vermittelt hat – mit 20-jähriger Mietgarantie. Wer hat hier profitiert?

Schön und gut, aber werden Sie jemals mehr erreichen können als Personalwechsel innerhalb der CSU? Die Bayern amüsieren sich doch nur über den Komödienstadl.

Es gibt in Bayern die Attitüde: „Die san Hund“, fast bewundernd. Viele haben so eine kleine Leiche im Keller, was kleine Steuervergünstigungen oder -hinterziehungen anbelangt. Wenn der Staat so ein bisschen beschummelt wird, sorgt das für Augenzwinkern. Die Bayern haben eine anarchistische Grundader, und dahin passt auch so eine Sache wie die Sauter-Geschichte.

Eigentlich müssten Sie bei diesen Aussichten aufhören.

Ich weiß, dass die Abwahl der CSU nicht auf der Tagesordnung steht. Aber übermächtige Gruppierungen verschwinden schneller, als man manchmal denkt. Ich verweise nur auf die Democrazia Cristiana – vierzig Jahre absolute Mehrheit und in ein, zwei Jahren vom Erdboden verschwunden. Die CSU soll sich nicht täuschen, auch sie wird nicht ewig regieren.

Interview: Lukas Wallraff