■ Das Diepgen des Tages
: Flughafen Tegel

Dass überforderte Mütter zuweilen ihre Kinder im Kaufhaus lassen – geschenkt. Auch dass ein Urlauberpaar die sechzehnjährige Tochter allein auf einer Autobahnraststätte zurücklässt – kann passieren. Wenn aber ein gestandener Champions-League-Teilnehmer zwei Spieler auf dem Flughafen vergisst und den „Verlust“ erst kurz vor der Landung bemerkt, dann ist das ... Ja, was eigentlich?

Doch der Reihe nach. Tatort: Flughafen Tegel. Tatwaffe: zwei Bordkarten des Crossair-Flugs 9242 nach Istanbul. Tatvorwurf: unterlassenes Boarding. Mutmaßliche Täter: Hertha-Jungstar Sebastian Deisler und sein Kollege Tony Sanneh.

Auf den ersten Blick sieht es so als, als wäre der Fall geklärt. „Basti Fantasti“ und Tony bummeln die neuen Auslagen im FlughafenTegel ab und verpassen den Abflug zum Champions-League-Auftakt bei Galatasaray Istanbul. Kein Wunder, dass Hertha-Manager Dieter Hoeneß unmittelbar nach der Tat erste Ermittlungsergebnisse präsentierte: „Das erste Versäumnis liegt bei den Spielern, auch wenn es eine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände war.“ Hoeneß jedenfalls forderte Konsequenzen und verriet, dass es für solche Fälle einen „Katalog“ gebe. Junioren-Nationalspieler „Zecke“ Neuendorf wurde noch konkreter: „Da kommt was in die Mannschaftskasse.“

Oder sollte sich doch alles ganz anders abgespielt haben. Warum, so wäre zu ermitteln, haben die Mitspieler der mutmaßlichen Täter deren Abwesenheit erst über der bulgarischen Schwarzmeerküste bemerkt? Waren sie so sehr in die Zeitungsberichte über das Debakel beim HSV vertieft, dass sie den Blick auf das Naheliegende verloren haben? Oder noch schlimmer: Sind Deisler und Sanneh so unbeliebt, dass sich keiner neben sie setzen wollte? Haben die beiden – womöglich, das soll nur eine Vermutung sein – einen der ihren mal an den Eiern begrapscht? So ganz ungewollt natürlich, mitten im Torejubel? Fragen über Fragen. So ist das im Fußballhimmel, die Bayern können ein Lied davon singen.

Wahrscheinlich war aber alles ganz anders. Wahrscheinlich wollten Deisler und Sanneh nur einen Kaffee trinken und scheiterten mal wieder an den Schließzeiten eines Provinzflughafens. Vielleicht sollten die Herthaner gegen Mailand von Leipzig aus starten.

Molly Bluhm